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gewesen seyn, wenn nicht Du, liebevolles Wesen, all' diese Freuden mir geschaffen hättest! –

Nimm von mir gütig auf den wärmsten Dank für jede frohe Stunde, die Du mir gewährtest, und erfülle die einzige innigste Bitte, welche ich heute, an dem heiligen Tage, in Dein Herz lege: Bleib' meine Emilie! mein Alles! meine Welt!

 Dann nur ist glücklich

 Dein wandellos treuer Wilhelm.


Nicht so leicht wurde es dem jungen Mädchen ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. In einem längeren, zum Teil recht ängstlich gehaltenen Briefe „an meinen Freund Wilhelm“, dem ersten Schreiben, das sie ohne Wissen ihrer Eltern an ein männ­liches Wesen richtet, drückt sie all ihre bänglichen Gefühle aus, wie sie so manche still Verlobte erfassen. „Prüfe Dich, ob, wenn ich mich bestrebe, Deiner immer würdiger zu werden, Deine Liebe zu mir sich nicht mit jedem Jahr verringert, sondern mit jedem Jahr sich erneuert und verstärkt! Lege ich je den Schwur ewiger Liebe und Treue ab, so sei fest von mir überzeugt, daß ich ihn auch in dem ganzen Umfange des Wortes halte, daß kein Blick meinen Augen, kein Wort meinen Lippen entführe, es sey fern oder nah, beobachtet oder unbeobachtet, der auch nur den geringsten Schein von Untreue trüge.“ Wie sie ihm die Treue je und je halten werde, so müsse auch er sie ihr halten; nur wenn sie davon felsenfest überzeugt sein könnte, werde sie den ernsten Schritt zum Altar einst tun, der doch über ihr ganzes Leben entscheide.[1]

Die ernste Stimmung, die den jungen aufstrebenden Be­amten in jenen Jahren erfüllte, geht besonders deutlich hervor aus einem Briefe, den er im Jahre 1811 an seinen Jugend­freund Justus Blochmann, den späteren Leiter des großen Erziehungsinstitutes in Dresden, richtete. Beide waren auf der Reichstädter Pfarre von Blochmanns Vater unterrichtet worden.

Ihre Wege hatten sich geschieden. Der junge Pastorssohn hatte


  1. Über das Leben in der Familie Winkler habe ich nach dem von Emiliens Schwester Auguste geführten Tagebuch in den Dresdner Geschichtsblättern IV, 4 S. 223 gehandelt.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/26&oldid=- (Version vom 2.3.2024)