Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 019.jpg

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werthvollen Sorten nach den Familien und Verwandtschaften einordne, dem Zwecke entsprechende, alles Unnöthige aber vermeidende, Beschreibungen gebe, die charakteristischen Unterscheidungszeichen der zunächst verwandten ähnlichen Sorten gehörig heraushebe, und dem Zwecke genügende Abbildungen der Früchte beifüge; so daß es jedem, mit dem Systeme Vertrauten möglich werde, eine ihm unbekannte Sorte nach vorliegenden vollkommenen Früchten im System aufzufinden, oder sich zu überzeugen, daß diese Frucht noch nicht in das System aufgenommen ist, in diesem Falle aber ihr den ihr gebührenden Platz bestimmen zu können.

Statt auf dieses eine unerläßlich scheinende Ziel hinzuarbeiten, hat man sich begnügt, entweder sich auf Diel’s System, ungeachtet aller seiner anerkannten Mängel, zu stützen, oder neue Systeme, theils ohne alle Einreihung der Sorten, theils mit Einordnung derselben nach den Diel’schen Beschreibungen, aufzustellen, oder nur einzelne Beschreibungen angeblich werthvoller Sorten zu geben, ohne Rücksicht auf die bereits bekannten ähnlichen Sorten zu nehmen. Nirgends hat man die Sache von Grund aus anzugreifen versucht, ja man hat es sogar versäumt, sich vor Allem über manche Grundsätze und Grundbegriffe zu verständigen. Ich will nur Einiges erwähnen. – Ehe von einem Systeme der Kernobstsorten die Rede sein kann, ja ehe man an die Beschreibung einer einzelnen Sorte geht, sollte man doch wohl vorher darüber einig seyn:

1) ist es überhaupt und in wie weit angemessen und nöthig, die Vegetation der Sorten und nicht bloß die Frucht, auf welche es doch in der Obstkunde hauptsächlich ankommt, bei der Beschreibung und Klassifikation zu berücksichtigen?

2) welche Einwirkungen haben Standort, Erziehungsweise und Pflege auf das Aeußere und Innere der Frucht?

3) was versteht man unter einer vollkommenen Frucht, – denn nur von vollkommenen Früchten kann doch die Rede seyn – und was ist unter der Normalform einer Sorte zu verstehen und wie ist solche auszumitteln?

4) welche Eigenschaften oder Eigenheiten der Früchte sind als wesentlich und charakteristisch, welche dagegen als unwesentlich anzusehen, und in welcher Ausdehnung kann die eine oder andere also zur Eintheilung und Unterscheidung benutzt werden?

Da man aber dieses Alles und mehreres Andere übersehen zu haben scheint, wenigstens fast gänzlich unbeachtet gelassen hat, so konnte es freilich nicht fehlen:

ad 1) daß Einige auf die Vegetation der Sorten den meisten Werth legten, und sich daher abmühten Blätter, Afterblättchen, Knospen, Triebe etc. scheinbar auf das Genaueste zu beschreiben, während Andere – wohl beachtend, daß die Frucht das eigentliche Object der Pomologie ist und man gar häufig Früchte vor sich hat, ohne zugleich den Baum der sie trug, untersuchen zu können, und daß auch die Vegetation des Baumes denselben und noch wesentlicheren äußeren Einflüssen unterliege, als die Frucht, – die Vegetation nur in soweit berücksichtigen, als solche überhaupt dem Obstzüchter von Interesse seyn kann und besonders bezeichnende, zur Unterscheidung der Sorten dienliche Eigenheiten darbietet;

ad 2) daß man nach einzelnen vorliegenden Früchten, nach den Früchten eines einzigen Jahres Beschreibungen derselben fertigte und solche so schnell als möglich verbreitete; daß man glaubte die Kernobstsorten am besten an Topfbäumchen, oder auf

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_019.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)