Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 038.jpg

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der Naumburger Ausstellung die Bemerkung macht, daß die aus Norddeutschland eingesandten Früchte häufig schöner und vollkommener waren, als die aus Süddeutschland vorliegenden. Noch mehr aber stellt es als Schattenseite bei unserem Obstbaue sich heraus, daß man nicht nur in Naumburg die Bemerkung machen mußte, wie noch so viel ganz werthloses Obst in Deutschland gebaut werde und die von unseren neueren Pomologen gesammelten und verbreiteten besten Früchte sich im Ganzen noch wenig Bahn gebrochen haben, sondern daß nach Durchsicht des Berichtes man auch die Ansicht bestätiget finden muß, daß die Zahl eigentlicher Pomologen, ja überhaupt nur solcher Männer, die nach richtiger Obstkenntniß streben, verhältnißmäßig zu dem großen Gewichte, was richtige Sortenkenntniß für gehörige Hebung des Obstbaues hat, sehr gering ist, und das größere Publikum kaum wenige einzelne Sorten unter richtigen Namen kennt. Unter den bei den eingesandten Obstcollectionen mit vorgelegten Obstnamen finden sich nicht nur viele unrichtige, wenigstens gänzlich unwissenschaftliche und blos provinzielle, sondern es war überhaupt die Zahl von eingesandten Obstcollectionen mit durchschnittlich richtigen Benennungen gering, und kann man selbst bei ein paar von Pomologen und pomologischen Gesellschaften eingesandten Obstsammlungen die Bemerkung machen, daß noch nicht durchweg die strenge, zum Fortschritte in der Pomologie durchaus erforderliche Genauigkeit in den Obstbenennungen herrscht, die um so nöthiger ist, je größer die Zahl ähnlich benannter Obstsorten ist. So lesen wir z. B. Rother Herbstborsdorfer statt Rother Borsdorfer, Herrenhäuser Pepping statt Herrenhäuser deutscher Pepping; Sommer-Rosenapfel statt Rother Sommer-Rosenapfel, Winter-Rosenapfel statt Calvillartiger Winter-Rosenapfel etc. Wir bemerken dieß alles nur, um zu ermuntern, auch in Dem, was noch als Schattenseite und selbst nur als Mangel bei unserem Obstbau sich herausstellt, nach immer größerer Vollkommenheit zu streben, um wo möglich die Zahl solcher Männer zu mehren, die es zunächst sich vorsetzen, ausgebreitetere, richtige Obstkenntniß sich zu erwerben und diese um sich her zu verbreiten. Zu verwundern ist es nicht, daß die Zustände in den hier berührten Hinsichten noch sind, wie sie sind; da es theils noch gar nicht lange her ist, daß von unseren classischen Pomologen endlich ein festerer Grund in richtigen Obstbenennungen und Kenntnis des vorzüglichsten Obstes gelegt wurde, und von Truchseß und Diel das von beiden Männern gesammelte und genauer festgestellte edlere Obst sich im Ganzen doch nur erst in wenige Baumschulen und Obstanlagen verbreitete, wo selbst nicht selten mit dem Tode der Personen, die Reißer von den gedachten Pomologen bezogen hatten, oder welche in fürstlichen und anderen Gärten die Namen des dort unter rechtem Namen angepflanzten edlen Obstes allein kannten, alle Sortenkenntniß wieder verloren ging, theils in neuerer Zeit die stets anwachsende Zahl von Obstarten es immer schwieriger gemacht hat, ausgebreitetere Sortenkenntniß zu erlangen und die Namen völlig genau dem Gedächtnisse einzuprägen. Das aber stellt sich nach allen Resultaten der Naumburger Ausstellung als unwidersprechliche Ueberzeugung heraus, daß wenn nicht alle Sortenkenntniß nach und nach wieder verloren gehen und rationeller Obstbau dadurch unmöglich gemacht werden soll, wir Ursache haben, alle ernsten Anstrengungen zu machen, das beste jetzt bekannte Obst in größeren pomologischen Gärten, in möglichst vielen Sorten, unter rechtem Namen anzupflanzen, und zu sorgen, daß es dort unter rechtem Namen bekannt bleibe, auch von da aus die immer mehr als die besten sich bewährenden Sorten sich ächt verbreiten, bis nach und nach die Fluth der sich nicht gehörig bewährenden, noch mehr aber der schlechten und unrichtig benannten Obstarten sich verloren hat. Herr Hofgartenmeister Borchers aus Herrenhausen hat in einer zu Naumburg vorgelegten lesenswerthen Abhandlung darauf hingewiesen, daß um richtige Sortenkenntniß zu erhalten, es am wirksamsten seyn werde, in fürstlichen Gärten und Landesbaumschulen, als dauernden Anstalten, für Mutterbaumpflanzungen richtig bestimmter Obstsorten zu sorgen, da das was Privatpersonen bisher Ausgezeichnetes für den Obstbau geleistet hätten, mit deren Tode gewöhnlich schon wieder zerfallen sey. Im Prinzipe ist das vollkommen richtig, wenn gleich erfahrungsmäßig bisher Fortschritte im Obstbau und namentlich fester Sortenkenntniß weniger von fürstlichen Gärten, sondern fast immer von Privatpersonen ausgegangen sind, indem fürstliche Hofgärtner und Gartenmeister theils meistens wenig Gelegenheit hatten, sich wissenschaftliche Obstkenntniß zu erwerben und es ihnen häufig an den nöthigen Geldmitteln zu verbesserten pomologischen Anlagen fehlte; theils diese nach der Richtung der Zeit weit besser Carriere machen konnten, wenn sie überhaupt in der bildenden Gartenkunst und Blumenkultur excellirten. Sollten Obstanlagen in fürstlichen Gärten und Landesbaumschulen, wie es durchaus wünschenswerth,

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_038.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)