Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 144.jpg

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Bemerkenswerth ist auch, daß der Rebstock, an welchem dieser Versuch gemacht wurde, zu denjenigen Gattungen unserer Reben gehört, die von der Krankheit am meisten befallen sind, und daß sämmtliche Blätter der Rebe, alle Zweige, das Holz und die krautigen Theile mit Pilzen dicht überzogen, und zuletzt schwarz gefärbt waren.

Daß diese Anwendung nur mit wenig Kostenaufwand und leichter Mühe verbunden ist, muß einleuchten, weil zu einem Eimer Wasser nur circa zwei Pfund Leim benöthigt werden.

Herr Dr. Vulkan war so gefällig, Anfangs September in einem ganz einfachen prunklosen Artikel diesen Versuch öffentlich bekannt zu machen, und zum Augenscheine einzuladen. Das Publikum las diesen Versuch, nachdem wir aber gerade in diesem Jahre mit Anwendung aller bisher bekannten Mittel, wenn sie auch mit den breitesten, pompösesten Ankündigungen und Empfehlungen selbst von unserem Hohen Ministerium versehen waren, gar keinen Erfolg wahrnahmen, so mochte wohl die Mehrzahl von diesem Versuche gelesen haben, ohne ein Vertrauen zu diesem Mittel zu fassen, oder sich selber von der Wahrheit der Thatsache zu überzeugen.

Dr. Vulkan forderte mich dringend auf, mich persönlich vom Erfolge seines Versuches zu überzeugen.

Das Resultat war wirklich überraschend! –

Er stellte den Versuch bei einer an einer Mauer hinaufgezogenen südöstlich gelegenen Rebe an, während, wie bekannt, gerade die an Mauern gezogenen der Krankheit viel mehr ausgesetzt waren, als die Reben im freien Felde, und an einer sogenannten Kernatsch-Rebe, welche in der ganzen Gegend am heftigsten vom Schimmel ergriffen waren.

An der Rebe hingen einige 30 Trauben; 14 davon tauchte Dr. Vulkan in ein mit Leimwasser gefülltes Gefäß zu einer Zeit, als der Schimmelansatz schon dem freien Auge bemerkbar wurde. Schon in acht Tagen war die Veränderung auffallend – die eingetauchten Trauben entwickelten sich rasch, schwollen an und blieben rein; dagegen die unberührt belassenen im Wachsthum stille standen, immer grauer und grauer wurden und mehr zusammenschrumpften,

Diese Thatsache ermunterte, die Versuche bei dieser Rebe noch an andern Trauben anzustellen, und so wurde dieses Mittel bis gegen Mitte September bei der einen oder andern Traube angewendet, ja, als es bekannter wurde, beeilten sich alle Nachbarn der Gegend, an den bereits der Zeit nach reifen, allein durch die Verheerungen der Seuche völlig zerstörten Trauben bis zur Weinlese das Mittel anzuwenden.

Wie begreiflich konnte der Leim im dritten Stadium der Krankheit keine Wunder wirken, und der schon verwelkte Stengel zog keinen Saft mehr von der Rebe, die verdorrten Hülsen blieben leer, sowie an allen Rebgeländen unserer Gegend.

Desto prachtvoller und überraschender prangten aber die 14 Trauben, welche Vulkan zu jener Zeit in Leimwasser tauchte, als man die ersten Schimmel-Spuren daran erkannte, und die Beere kaum die Größe von Schrotkörnern hatten.

Dieses Leimwasser blieb wegen der natürlichen Feuchtigkeit der Beere stets weich, hinderte diese nicht im Geringsten, die Normalgröße zu erreichen, und blieb wie ein Ueberzug von Firniß oder Lack bis zur vollständigen Reife. Diese Trauben waren zur Zeit der Reife vollkommen gesund, vollkommen

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_144.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2021)