Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 212.jpg

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bleibt daheim mit eurer Wissenschaft und werdet praktisch, dann wieder: hilf o Wissenschaft!) Bestelle, ruft der Herr Herausgeber der Thüringer Gartenzeitung aus, mir Jemand Pflanzen oder Reiser von der wohlbekannten Goldreinette; was wird er erhalten? Gewiß etwas Anderes als was er erwartete, denn es gibt ein ganzes Schock Aepfel, welche in verschiedenen Katalogen unter dem Namen Goldreinette laufen. Wenn es Kataloge gibt, welche, wie darauf hingewiesen wird, den Weißen Winter-Calville und den Rheinischen Bohnapfel als Goldreinette aufführen, so ist damit nur so viel bewiesen, daß es höchst unwissende Männer unter den Baumschulbesitzern gibt, welches kein billig Denkender der Wissenschaft in’s Gewissen schieben wird; wenn aber der Herr Redacteur sich die Goldreinette bestellt, und er bekommt aus einer Baumschule nicht diejenige Sorte, welche er als vorzüglich kennt, so beweist er nur, daß er selbst noch zu wenig Kunde vom Obste hat und es widerfährt ihm nichts, worüber er zu klagen Ursache hätte. Weiß denn der Herr Redacteur nicht, daß die Goldreinetten eine eigene Abtheilung in der Klasse der Reinetten bilden und daß es in Wirklichkeit viele Goldreinetten gibt, daß daher bei der Bestellung einer Goldreinette dem Gattungsnamen auch die Benennung der Varietät beigefügt werden muß.

In Nr. 27 finden sich abermalige Expectorationen über die „lieben Synonymen,“ wobei gegen die gesammte deutsche Literatur in der Pomologie Luftstreiche geführt werden. Man höre das Lob aus der Feder des Freiherrn von Biedenfeld, das wörtlich also lautet: Von Diel an hat die ganze deutsche pomologische Literatur sich nur mit Zweifeln, Vermuthungen und Hypothesen genährt und träumt und wacht in düsterem Nebel von Synonymen, sie findet den Muth nicht, sich daraus zu helfen, weil sie in ihrer Schüchternheit nicht fragt, ob es auch noch Leute hinter den Bergen gibt. Und nun der Beweis dazu. Es ist vorgekommen, fährt die Thüringer Gartenzeitung fort (oder vielleicht auch nicht vorgekommen, da der Fall auch fingirt seyn könnte), daß Jemand den Wykerpeping und Wykerapfel mit einander verwechselte und nun beide für identisch erklärt. Nun entdeckt der Freiherr von Biedenfeld zum Glück in den Katalogen der Londoner Gartenbaugesellschaft, daß beide Aepfel verschiedene Varietäten sind. Auf alle in deutschen Zeitschriften und Büchern aufgezeigten Identitäten hält der Redacteur nichts (und doch hat er, wie gelegentlich von ihm aufgefunden wurde, davon in sein Handbuch aufgenommen und damit den Werth desselben selbst taxirt), weil bei diesen stets der Zufall in Rechnung kommt (was natürlich jenseits der Berge unmöglich ist). Also das Heil liegt in den Katalogen der Londoner Gartenbaugesellschaft, und wir müssen die Hülfe hinter den Bergen suchen und doch (hört!) versichert der Freiherr von Biedenfeld selbst, daß in den gepriesenen Londoner Katalogen arge Verstöße vorkommen. Wir lassen es dahin gestellt, ob in Bezug auf die Geschichte mit dem Wykerpeping und Wykerapfel die Compilation eine zuverläßige ist; aber eine solche Schmähung deutscher Gründlichkeit, eine solche Verachtung der Verdienste deutscher Pomologen, hätten wir einem deutsch seyn wollenden Manne nicht zugetraut, welcher bei jeder Gelegenheit den Deutschen vorwirft, daß sie das Gute am eigenen Herde verachten und es über den Bergen suchen. Wir lassen dem Freiherrn von Biedenfeld seine schwärmerischen Gefühle für den Londoner Katalog, aber so lange England keine Männer aufzuweisen hat, welche solche Verdienste um die Pomologie sich erworben haben, wie ein Diel, wie Sickler u. A., lassen wir unsern Hut noch vor den Londoner Katalogen auf dem Kopfe. Nil admirari ist unsere Regel.

Nr. 53 und 54 besprechen den Aufruf des Vereins für Beförderung des Gartenbaus in den königl. preußischen Staaten an alle Obstpflanzer Deutschlands: „die besten von denselben erprobten Obstsorten u. s. w. dem Vereine namhaft zu machen,“ um sodann bei der in Wiesbaden beabsichtigten Versammlung die Resultate und Zusammenstellungen bekannt machen zu können. Es wird mit gewandter Feder dieser wohlgemeinte Aufruf unterstützt und gegen Mißverständnisse, welche er erregt zu haben scheint, in Schutz genommen. Wir danken dieser Besprechung recht beherzigungswerthe Vorschläge, unter welche wir folgende zählen: daß, wo es möglich ist, der wissenschaftliche Namen den Provincial-Namen bei Einsendungen beigegeben werde; daß man die anderen deutschen Regierungen zur thätigen Theilnahme auffordere; daß man sich über die beizubehaltenden Namen verständige und die Resultate der Vereinbarung bekannt mache; das sind lauter praktische Vorschläge; daß man aber eine Verbindung mit allen Hauptbaumschulen in aller Welt anknüpfe und mit dem Auslande eine Verständigung herbeiführe; daß in den öffentlichen Staatsbaumschulen die Sortimente aller anderen Staatsbaumschulen

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_212.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)