Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 213.jpg

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zur Prüfung vorgenommen werden sollten; das sind monströse Gedanken, welche unausführbar sind und an das Sprüchwort erinnern: wer zu viel will, der bekommt Nichts! Wahrlich, nicht in den Staatsanstalten an sich liegt die Bürgschaft einer sichern Prüfung, sondern in den Persönlichkeiten. Es gibt viele tüchtige Vorstände von Staatsbaumschulen, welche keine so anläßige und weit umfassende Sortenkenntniß haben, daß ihr Urtheil eine Bürgschaft gäbe für die Zuverläßigkeit des geprüften Sortiments. Die Sache läßt sich praktischer auf einem andern Wege anfassen, von welchem später die Rede seyn wird.

Wir machen hier noch auf einen andern Artikel der Thüringer Gartenzeitung aufmerksam, welcher zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit obigem steht, aber doch hier seine Stelle finden mag, weil er auch auf die Wiesbadener Versammlung hinweist. Wer es weiß, auf welche Weise der Freiherr von Biedenfeld im zweiten Theile seines Handbuches aller bekannten Obstsorten das Dochnahl’sche System angriff, wird sich des Erstaunens über die Begegnung nicht enthalten können, wenn er nun in Nr. 49 der Thüringer Gartenzeitung aus derselben Feder lesen muß: „daß das Dochnahl’sche System ein wahrhaft wissenschaftliches, logisch durchgeführtes u. s. w. sey, das als ein wahrer Fortschritt in der pomologischen Systematik bezeichnet werden müsse, wobei diesem System eine Zukunft verheißen wird, sey es nun rein adoptirt, oder modificirt, oder gar widerlegt zu einem andern Systeme führen möge; das ist freilich auch eine Zukunft, widerlegt zu werden, aber keine glänzende!“

Wenn es wahr werden sollte, was in jener Abhandlung als frommer Wunsch ausgesprochen wurde: „hoffentlich wird die im nächsten Jahre in Wiesbaden zu Stande kommende Versammlung der deutschen Pomologen von diesem schätzbaren Systeme und Buche Notiz zu nehmen nicht versäumen, den Werth beider anerkennen, den Fortschritt auf solchem Wege verfolgen und durch die ausführlichsten Resultate ihre Verhandlungen darüber, jeden Falls die gute Sache fördern;“ wenn das in Erfüllung gehen sollte, sage ich, daß die Versammlung in Wiesbaden ihre Zeit und Kräfte an die Würdigung solcher Werke wenden soll, wodurch der Obstkunde mehr geschadet als genützt wird, wie es beim Dochnahl’schen der Fall ist, welches für den Praktiker fast unbrauchbar ist und zwar allerdings mehr Werth und Wissenschaftlichkeit hat, als das Freiherr von Biedenfeld’sche Handbuch, aber von Irrthümern wimmelt und eine Menge unnöthigen Ballastes mit sich führt; – dann fürchte ich, daß sich bei der Mehrzahl der Pomologen in Wiesbaden ein fortlaufender Beifall einstelle und daß das Resultat jener Versammlung mit den großen Hoffnungen wenig zusammenstimmen werde, welche so Viele von ihr hegen. Nun die Sache ist in die Hände von Männern gelegt, welchen wir es getrost überlassen können, wie weit auf die genannten zwei literarischen Produkte in der Pomologie bei der Versammlung in Wiesbaden Rücksicht genommen werden kann. Wie man doch deutschen Pomologen, die von Diel an nach Herrn v. Biedenfeld’s Meinung im Finstern tappen, ein solches Vertrauen schenken kann! Wie man so inconsequent seyn mag, zu verlangen, daß man einmal das Systematisiren aufgebe, womit nichts gewonnen werde und es doch als Aufgabe einer Versammlung deutscher Pomologen zu bezeichnen; prüft das System, adoptirt oder modificirt oder verwerft es, oder macht ein anderes neues daraus. Die Sache ist in der That rührend!

In Nr. 38 wird auf die Erscheinung der pomologischen Monatsschrift hingewiesen und der pomologischen Zukunft Deutschlands ein Prognosticon gestellt, das zu emphatisch klingt. Namentlich von der Vereinigung norddeutseher und süddeutscher Pomologen lasse sich ein günstiges Resultat erwarten. In der vorletzten Nummer des letzten Jahrgangs wird sodann, nach Erscheinung des ersten Heftes der Monatsschrift, besonders die treffliche Abhandlung des Herrn Geheimen Raths v. Flotow hervorgehoben, welche gewiß alle denkenden Pomologen mit Freude begrüßten. Die schönen Worte des Freiherrn von Biedenfeld: „in einer ernsten Sache muß vor Allem das Publikum rein und wahr belehrt werden, und es kann daher niemals darauf ankommen, von wem eine Ansicht und Lehre stamme (dieß ist mit Beziehung auf Herrn Dochnahl’s sicherem Führer in der Pomologie gesagt), sondern was sie enthalte und wie sie sich zur Wissenschaft und Praxis verhalte“, machten wir zu der unsrigen. Es würde uns wirklich leid thun, wenn der Freiherr von Biedenfeld, da wo wir seiner Ansicht entgegentreten zu müssen glauben und seine pomologischen Compilationen, wie er sie selbst zu nennen so aufrichtig ist, Anerkennung nicht spenden können, seine eigenen Worte vergessen würde.

(Schluß folgt.)

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_213.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)