Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 265.jpg

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in einige Theile des Landes von Baumhändlern, die hausiren, Bäume eingeführt werden, sich nicht wundern, wenn die Baumschulbesitzer bittere Klagen führen und wenn eine Menge von kleineren und größeren Baumschulen abgehen, da sie nur Schaden statt Gewinn liefern. Mag man die Sache rechnen wie man will, so kann, auch bei gutem Absatz, in Baumschulen unter 8–9 kr. (2½ Sgr.) im Durchschnitt ein vollkommener Hochstamm nicht erzogen werden[1]; dann hat aber der Baumzüchter für seinen Betrieb im Allgemeinen und als Handelsgewinn noch gar nichts, auch Risico und Zins aus dem Betriebskapital ist dabei ungerechnet. Wie viele Tausende von schönen, kräftigen Hochstämmen wurden nun aber auf den Baummärkten in Stuttgart, Eßlingen, Göppingen, zu 6 kr., ja selbst zu 4 kr. das Stück in den letzten 3–4 Jahren verkauft! Dieser enorme Preisrückschlag hat plötzlich der vorher so sehr allgemein gewordenen Erziehung junger Obstbäume zur Spekulation einen Hemmschuh eingelegt. Wie jedes Ding seine 2 Seiten hat, so auch hier; es sind, durch die hohen Preise angelockt, von Spekulanten Baumzuchten veranlaßt worden, die sicher zur Hebung des Obstbaues nichts beizutragen vermochten; es gibt noch jetzt solche größere Baumschulen, wo man nur weiß, daß hier Apfel-, dort Birnbäume stehen, die einzelnen Sorten aber ganz oder fast ganz unbekannt sind; wenn solche Baumschulen eingehen, so ist es kein Schade; allein es sind auch diesen ungünstigen Absatzverhältnissen Baumschulen anerkannter Pomologen unterlegen, die sich die Aufgabe gestellt, nur richtig benannte, besonders schätzbare Sorten zu verbreiten, und dieß ist um so mehr zu beklagen, als die Zahl der Pomologen, welche Baumzucht treiben, verhältnißmäßig sehr klein ist und die Erziehung junger Obstbäume größtentheils in Händen von Baumzüchtern ist, die von Pomologie wenig Kenntniß haben.

Werfe ich nun einen Blick auf die Qualität der in den 2 letzten Jahrzehnten erzogenen Bäume, so tritt noch gar oft der traurige Mißstand vor Augen, daß man das Veredeln als die Hauptsache der Baumzucht betrachtete und gar zu wenig Sorgfalt auf die schöne Bildung des Stammes wendete. Ein sehr bezeichnender sonderbarer Fall kam im Oehringischen vor. Es waren im Winter 1844/45 bei sehr hohem Schnee die Hasen in eine Baumschule eingedrungen und hatten auf eine furchtbare Weise gewirthschaftet. Der Besitzer klagte gegen den Eigenthümer der Jagd mit dem Bemerken, daß er die meisten seiner Bäume die 3–4 Jahr alt waren (nach der Veredlung), dicht am Boden wegschneiden müsse. Die Experten berechneten den Schaden sehr hoch und es entspann sich darüber ein Streit, wodurch die Entscheidung über den zu leistenden Ersatz über ein Jahr hinausgeschoben wurde. Nach dieser Zeit wurden andere Experte zur Begutachtung des Schadens herbeigezogen und diese erklärten, daß die früher von Hasen beschädigten und dicht über der Veredlungsstelle abgeschnittenen jungen Bäume jetzt schöner seyen, als die von den Hasen damals unversehrt gelassenen, so daß dieser Hasenfraß sogar noch für die Baumschule zu einem beträchtlichen

Vortheil geworden sey. In der That sind


  1. Metzger hat in seiner schönen Baumschule zu Pleikartsförsterhof bei Heidelberg wohl viele Tausende von Hochstämmen erzogen, die ihm nur pro Stamm 6 kr. kosteten, allein solche günstige Verhältnisse, wie sie dort statt hatten, finden nur ganz ausnahmsweise statt.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_265.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)