Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 269.jpg

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lieber gekauft werden, als ein knotiger, bemooster, spärlich wachsender Schwächling. In diesem Falle wird selbst die Befürchtung, der Baum könne in festem Boden zu schnell und üppig emporgetrieben seyn, ihren Einfluß verlieren. Und doch sind dergleichen frische, glatte Bäume, so sehr sich auch die Baumschulbesitzer darum bemühen, nicht gerade häufig zu finden, und ihre Erziehung in der Regel um so seltener, je länger das Baumschulland ohne Erneuerung und Zwischennutzung ausschließlich zur Baumzucht benutzt worden ist. Es scheinen sich nämlich auf demselben mit der Zeit auch die Feinde der Obstbäume immer mehr einzunisten und festzusetzen. Viele dieser Feinde sind allbekannt. Ich schweige daher jetzt von ihnen, um die Aufmerksamkeit auf einen meines Wissens bisher wenig besprochenen und doch gar nicht seltenen Feind hinzulenken.

Wenn wir von unsern minder wuchshaften jungen Obstbäumen das Moos und die Flechten vorsichtig entfernen, die hier und da auf ihrer Rinde festsitzen, so finden wir darunter fast jeder Zeit kleine, dünne, braune Würstchen, die, in mancherlei Richtungen durcheinander liegend, fest an der Schale haften und wie leblose Anhängsel oder Ausscheidungen aus derselben erscheinen. Ich habe sie immer Schildläuse genannt, weil sie mit diesen viel Aehnlichkeit haben, obgleich sie verhältnißmäßig dünner, schmaler und trockner erscheinen. Nur schwächliche und spärlich wachsende Bäume sind damit vorzugsweise behaftet, mögen nun die Schildläuse die Ursache oder die Wirkung dieser Schwächlichkeit seyn. Am häufigsten sitzen sie da, wo ein neuer Jahreswuchs beginnt, oder wo früher ein Nebenzweig abgeschnitten worden ist. Für Moos und Flechten aber scheinen sie die Schale erst recht vorzubereiten und empfänglich zu machen, so daß die mit ihnen befleckten Stämme bald das Aussehen junger Greise annehmen.

Als Schutz- und Rettungsmittel gegen dieses Uebel hat sich mir bisher noch am meisten 1) der fortwährende Wechsel des Baumschulbodens und 2) das Anstreichen der bereits bemoosten Bäume mit Kalkmilch bewährt. Auch waren diejenige Obstbäume davon gewöhnlich auffallend frei, die in Dornen oder anderem Strauchwerk empor gewachsen waren, das ihre Schale beim Winde scheuerte und abrieb. Die Kalkmilch vernichtet nicht allein das Moos und die Flechten, sondern auch die darunter befindlichen Schildläuse, denen übrigens die Apfelbäume mehr als die Birnbäume und noch mehr als die Steinobstbäume unterworfen sind. Selbst Weiden sind mir an diesem Uebel zuletzt zu Grunde gegangen, dessen genauere Untersuchung jedenfalls die Aufmerksamkeit der Naturforscher verdient.

II.

Sind auch die Wurzeln der Bäume zunächst darauf angewiesen, die Bodenfeuchtigkeit aufzusaugen, damit diese als Auflösungsmittel für die atmosphärischen Nahrungsstoffe, namentlich für die zu zersetzende Kohlensäure von Zoll zu Zoll wieder durchschwitze und empordringe, dennoch dürfen auch sie der Luft und Wärme nicht zu sehr entzogen werden, wenn die Bäume gedeihen sollen. Das geschieht aber, wenn wir unsere Obstbäume zu tief setzen oder auch ihre Wurzeln späterhin durch aufgeschüttetes Erdreich überdecken. Welches aber das rechte Maaß beim Setzen der Obstbäume sey, das zeigen sie uns selbst unverkennbar beim ersten Keimen ihrer Kerne und beim ersten Emporwachsen der jungen Pflanzen. Da breiten sich die obersten Nebenwurzeln nicht erst fußtief unter der durchwärmten Erdoberfläche

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)