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fehlerfreie Obstclassifikation muß die Merkmale in der Frucht allein suchen“, über das von der Pomona Nr. 1, 1855 veröffentlichte günstige Urtheil desselben über „Dochnahl’s sogenanntes botanisch-pomologisches System“ wundern möchten, wollen wir zur Rechtfertigung unseres hochverehrten Mitarbeiters bemerken, daß nach sehr genauen Nachrichten jenes Urtheil ihm zum großen Theil fälschlich untergeschoben wurde.




Ueber die fragliche Identität von Liegel’s Dechantsbirn mit der Holzfarbigen Butterbirn.

Der verdiente Herr Herausgeber der Thüringer Gartenzeitung, Freiherr von Biedenfeld, bringt in Nr. 45 und 46 der gedachten Zeitschrift 1854 einen Artikel, in welchem er seine, schon in seinem Werke über die Birnen, S. 140 geäußerte Vermuthung, daß Liegel’s Dechantsbirn von der Holzfarbigen Butterbirn verschieden sey, in Folgendem zu unterstützen sucht.

Zu der auf den 2.–4. Okt. d. J. nach Weimar berufenen Versammlung des Thüringischen landwirthschaftlichen Vereins habe er mit anderem Obste auch einige, von Hrn. Kaufmann Müller zu Züllichau erhaltene Exemplare von Liegel’s Dechantsbirn geliefert, die ihn vergewissert hätten, daß diese von der Holzfarbigen Butterbirn verschieden sey. Um zu sehen, ob auch Andere dasselbe bemerken würden, habe er die unschuldige Täuschung versucht, auf die Vorderseite der an die Birnen gebundenen Etiketten, Holzfarbige Butterbirn zu schreiben; doch habe bald ein befreundeter Obstkenner ihm gesagt, daß der Name falsch sey und die Frucht vielmehr Liegel’s Dechantsbirn sey, worauf er lächelnd die Kehrseite der Etikette mit dem rechten Namen herumgedreht habe. Ein paar Tage darauf habe er von dem Freunde nun auch Exemplare der Holzfarbigen Butterbirn erhalten, und habe sich folgender Unterschied ergeben:

Liegel’s Dechantsbirn: In allen 3 vorliegenden Exemplaren birnkegelförmig, 3–3¼ Z. hoch, 2½–2¾ Z. breit. Bauch über die Hälfte nach oben; nach dem Kelche kaum bemerkbar abnehmend, um den Kelch so flach gewölbt, daß die Frucht bequem aufstand. Kelchhöhle beinahe ganz seicht; Kelchwölbung einen Strahlenring von grauem, kaum bemerkbar rauhem Roste bildend. Kelch ziemlich klein kronenförmig, bräunlich dunkelgrau, genau in der Mitte sitzend. Nach dem Stiele verjüngten sich die Früchte mehr oder minder rein kegelförmig, und fand sich an allen 3 Früchten eine sehr kleine Stielhöhle, bei einer regelmäßig in der Mitte der stumpfen Spitze, bei den beiden andern sehr weit seitwärts gedrängt, so daß ein Theil der Stielwölbung beträchtlich höher war, als der andere; an einer Birne, rings um den 1 Zoll langen, holzigen, oben und unten verdickten Stiel, spärliche Rostflammen, an den beiden andern nur eine Rostwarze. Schale glatt, grünlich-gelb, nur an einer Frucht mit einer schwachen Hauchspur von Röthe auf der Sonnenseite. Punkte überall zahlreich, fein, graugrünlich; an allen einzelnen bräunlich-graue Rostflecken verschiedener Formen, an einer ringsum sehr viele und vielerlei, fast netzartige Rostfiguren, an den beiden andern nur sehr wenige. Der Strang vom Stiel nach dem Kernhause breit, anfangs fast holzig; Kernhaus kreisrund, mit 6 mittelgroßen, schmalen, länglichen, paarweise liegenden braunen Kernen; Kelchröhre sehr kurz, stark. Das Fleisch der erst halbreifen Birnen war sehr weiß, fein, saftreich, steinlos und verrieth bereits seinen erquickenden Zuckergeschmack.

Holzfarbige Butterbirn: Von gleicher Größe, in der Form mehr uneben und eigestaltig, indem die Verjüngung vom Bauch nach oben auffallender und an zweien so stark war, daß sie nur sehr wankend stehen blieben; die Spitze am Stiele an allen 3 Früchten stumpfer, breiter, beuliger; die Stiele etwas kürzer und dicker, etwas weniger holzig, die Schale an allen 3 Früchten etwas rauher, von trüberer Grundfarbe, mit stärkerem Roth an der Sonnenseite, viel reicher bekleidet mit Rostflecken und Rostfiguren, mit stärkeren Punkten.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_308.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)