Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 317.jpg

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Triebe nahe an der Erde und etwas höher hinauf überzeugte, daß der Stamm noch ächt sey, mußte ich ein Jahr später nochmals veredeln, was bei einer ziemlichen Zahl von Stämmen nöthig wurde; wie ich denn, später vorzüglich bei Kirschen und Pflaumen, die man öfter nicht gerade sehr nahe bei der Erde oder selbst zur Krone veredelt, immer die Höhe, in welcher veredelt sey, im Baumschulenverzeichnisse mit anmerkte, um beim Unsichtbarwerden der Pfropfstelle nicht etwa Jemanden einmal ein wildes Reis zuzusenden, wie ich selbst es gar nicht selten erhalten habe. Gesetzt aber auch, daß anfangs beim Veredeln, durch das Durchschneiden aller Gefässe und den entstehenden Wulst, eine totale Vernarbung und Vermaserung entstände (bei der schwerlich die jungen Copulanten und Oculanten so freudig, als geschieht, wieder aufwachsen könnten), wie will man beweisen, daß diese Vermaserung und Verknöcherung der Gefässe sich auch in alle, in der Folge sich bildende Holzschichten erstrecke, und wohl gar mit der Zeit schlimmer werde? Wenn sich in den folgenden Lebensjahren in dem zwischen Holz und Rinde ausschwitzenden, coagulabeln Safte, aus dem so neuer Splint, als neue Rindenlagen entstehen, frische Saftgefässe bilden, warum sollen sie gezwungen seyn, wie die zuerst an der Impfstelle zusammengewachsenen, zu verknöchern und ebenso krumme Gänge und solche Maserbildung anzunehmen, wie es zuerst bei der Veredlung der Fall war? Können sie sich nicht, wenn sonst nur Wildling und Reis gut zusammen passen, ebenso frei und naturgemäß bilden, als es am Stamme ungepfropfter Bäume geschieht? Daß es wirklich geschehe, wird eine genauere Untersuchung leicht ergeben, und zeigt der Augenschein, daß an veredelten Stämmen, wo Wildling und Edelsorte von gleicher Dicke sind, die Holzfasern in gerader Richtung in die Höhe gehen, und man kann an erwachsenen Stämmen der Art, wenn man sie spaltet, die Pfropfstelle häufig nicht wieder finden. – Nur so viel muß zugegeben werden, daß die Veredlung in den Fällen ein Hinderniß des künftigen Wachsthums, der gehörigen Größe und selbst Gesundheit des veredelten Stammes ist, wenn Wildling und Reis, ihrer ganzen Natur nach, nicht recht zusammenpassen. Wie es sich auf Probebäumen öfter ereignet, daß einzelne darauf gesetzte Obstarten nicht fort wollen, die Wachsthum zeigen, wenn man sie auf andere Probebäume bringt, oder wie so manche Birnen auf der Quitte nicht gedeihen, so finden sich auch in den Baumschulen immer einzelne Stämme von an sich triebigen Sorten, die nicht fort wollen, nicht selten aber kräftig wachsen, sobald man die zuerst darauf veredelte Sorte abwirft und eine andere aufsetzt. In Nienburg legte ich auf einer schlechten, sandigen Stelle des Gartens ein Quartier von verkrüppelt oder wenigstens schlecht gewachsenen Stämmen weniger gangbarer und schätzbarer Obstsorten an, um diese Sorten zu weiteren Untersuchungen zu behalten, ohne sie ferner in der Baumschule anziehen zu müssen. So lange die Stämme im Frühling mit beschnitten und austreibende wilde Reiser weggenommen wurden, blieben sie von verkrüppeltem Wuchse. Aus Zeitmangel wurde das Beschneiden endlich ein paar Jahre hindurch versäumt, und fingen die hervorgekommenen wilden Triebe bei vielen davon an, stark zu wachsen, von denen ich mehrere später mit Erfolg anders veredelte. Gewissenhafte Baumschuleninhaber werden solche zurückbleibende Stämme nie verkaufen, oder umpfropfen, indeß glücklicher Weise trifft eine solche Zusammenfügung zweier, nicht

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_317.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)