Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 323.jpg

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innen heraus nach und nach abstirbt, was namentlich bei den Obstbäumen häufig durch Frost beschleunigt wird, liegt die Hauptursache des allmähligen Todes der Bäume. Man hat wohl behauptet, mit dem Samen verhielte es sich hinsichtlich des Alters anders, als mit den Augen; aber ist das mehr, als eine schillernde Behauptung? Ist, wie auch Lindley in seiner lehrreichen Theorie der Gartenkunde[WS 1] S. 66–69 völlig richtig statuirt, die Laubknospe, wie die Blüthenknospe ein verkürzter, zusammengedrängter Zweig, bildet sie sich nach und nach aus einer Laubknospe, und fehlt es nicht an Beispielen, daß eine Blüthenknospe in ihrer Entwicklung sich so veränderte, daß sie zu einem kleinen Zweige auswuchs, wobei die Blumenblätter, Staubfäden, und selbst die Embryonen der Samenkörner sich zu Laubblättern entwickelten, welcher wesentliche Unterschied, vor allen Dingen hinsichtlich des Alters, ist dann zwischen der Laubknospe und der Blüthenknospe, zwischen der kleinen Zelle, die die erste Grundlage der Laubknospe und der, welche den ersten Ansatz des Samenkerns macht? Ist ein einzelner, wenn gleich noch nicht lange veredelter Obstbaum so alt anzusehen, als seine Sorte es ist, also z. B. 200 Jahre alt, so ist, nach Knight’s Theorie, auch jede Knospe, jede Zelle, nicht nur der Laubknospe, sondern auch des Samen-Embryos und Pollens ebenso alt; sollte da, wenn Altes zu Altem kommt, indem die sich verlängernden Zellen des auf die Narben gebrachten Pollens mit dem Embryo sich vereinigen, Junges entstehen? Was ist jeder Samenkern anders, als ein kleiner Zweig in nuce, versehen mit einem Wurzelkeime und einem Vorrathsmagazine von Nahrungsstoff, um, in die dazu günstige Lage gebracht, sein eigenes, individuelles Leben beginnen zu können? Vermag die Laubknospe das unter günstigen Umständen nicht gerade ebenso? und müssen wir das nicht noch mehr von den Sporen sagen, durch die so manche Gewächse sich fortpflanzen? ja, würde es nicht jede Laubknospe ganz ebenso leicht können, als der Samenkern, wenn sie nur, wie die in den Blattwinkeln mancher Liliengewächse sich bildenden Knospen, überall einen größeren Vorrath ernährende Materie in sich enthielte? Veredeln wir daher einen Obstbaum, so kommt ein junges Individuum mit noch weichen Holztheilen und Saftgefässen auf eine junge Wurzel, und das neue Individuum wird ganz als Junges seinen Lebenslauf beginnen, bis es, nach erlangter möglichster Ausdehnung, und bei immer mehrerem Absterben der innern und alten Saftgänge, endlich seinen Tod findet.

Es ist daher wohl gewiß, daß die Veredlung an den Krankheiten unserer Edelstämme nicht schuld ist, und finden sich unter diesen dennoch viele kleine, ungesunde und abständige, so werden wir davon wohl andere Ursachen aufsuchen müssen. Sichtbar liegt es zuvörderst schon an der Behandlungsart unserer Pfleglinge, wenn diese, die sonst besser gedeihen, nicht mehr recht fortwollen. Unsere Vorfahren, bei denen der Obstbau noch wenig verbreitet war, pflanzten ihre Bäume meistens in Land, wo noch nie welche gestanden hatten, und da sie wenig Stämme besaßen, behielt jeder Raum genug zu seiner Ausdehnung, wurde kraftvoll, groß und alt. Wir, ihre Nachkommen, die wir recht gut wissen, daß keine Frucht in demselben Boden immer gedeiht, die wir bei unserer Waldwirthschaft wohlweislich einen Wechsel der Baumarten eintreten lassen, weil wir gegen die Erfahrung nicht blind gewesen sind, daß

Laubholz nach Laubholz etc. und noch mehr

Anmerkungen (Wikisource)

  1. John Lindley: Theorie der Gartenkunde, oder Versuch, die vornehmsten Operationen beim Gartenbau nach physiologischen Grundsätzen zu erklären. Übersetzung von Ludolph Christian Treviranus. J. J. Palm u. Ernst Enke, Erlangen 1843 MDZ München
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_323.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)