Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 324.jpg

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Buchen nach Buchen, Eichen nach Eichen etc. schlecht wachsen, pflanzen unsere Obstbäume dennoch beständig wieder an die Stellen, wo schon mehrere Generationen hindurch solche gestanden haben, ohne daß es uns einfiele, hier, oder wo sonst der Boden schlecht ist, für den Baum das Erdreich erst zu erneuern, oder zu verbessern; – er mag sehen, wie er fortkommt, und wenn er dann doch nicht fort will, bauen wir, statt auf das zu sehen, was vor Augen liegt, künstliche Theorieen, woher sein Siechthum und seine geringe Lebensdauer wohl gekommen seyn möge! Dazu pfropfen wir unsere Gärten meistens so voll von Stämmen (wie viele Gärten, insbesondere der Landleute gibt es, wo alle 8–10 Fuß weit, in geschlossenen Reihen, ein Obstbaum steht! aber ich habe auch nicht wenige ähnliche Pflanzungen in Gärten gebildeterer Personen gesehen, und in gehöriger Weise angelegte Pflanzungen sind sehr selten, da jeder gern möglichst viel Obst recht bald haben will), daß, wenn diese ihre Größe noch nicht zum dritten Theile erreicht haben, die Wurzeln unter der Erde einander schon die Nahrung rauben, und die Zweige oben ein dichtes Geflechte bilden, das nicht Luft noch Sonne zuläßt, und in welchem wir dann, um Luft zu schaffen, unbarmherzig wieder herumschneiden und sägen, – und doch sollen unsere Obstbäume groß und alt werden und höchst gesund und tragbar seyn!! Unsere Kornfelder düngen wir sehr sorgfältig; aber auch dem Obstbaume, wo er nicht im gedüngten Grabelande steht, öfter den nöthigen Dünger mäßig, aber nachhaltig zuzuwenden, halten wir für zu umständlich. – Dazu erhalten wir unsere jungen Stämme wohl von gewinnsüchtigen Baumhändlern, die, um bald verkäufliche und ansehnliche Waare zu haben – die Welt will ja betrogen seyn, – die jungen Stämme auf gedüngtem, zu fetten Boden erziehen, die dann auf ihrem künftigen Standorte nicht fortwollen und in Siechthum gerathen; oder unterhält Jemand selbst eine Baumschule, so liegt sie im schlechtesten Winkel des Gartens, den Bäume überragen, oder Unkraut bedeckt, so daß die jungen Zöglinge schon in ihrer ersten Anlage verdorben werden. Nehmen wir hinzu, daß wir verhältnißmäßig noch gar wenige Anstrengungen gemacht haben, um zu erforschen und zu constatiren, welchen Boden oder Lage eine jede besondere Obstsorte zu ihrem rechten Gedeihen erfordere, so daß wir aus Unwissenheit sie oft in ganz unpassenden Boden oder Lagen brachten, und daß wir, theils in früherer Zeit aus Mangel anderer besserer Sorten, theils in neuerer Zeit in übereilter Hast, ohne gehörige Prüfung, so manche Sorte bei uns angepflanzt haben, die für unser Klima, oder unsere specielle Gegend und Obstlage doch nicht recht paßt; kann es uns da wundern, daß wir nicht noch weit mehr, als es wirklich der Fall ist, auf unfruchtbare, kranke, früh eingehende Stämme unter unsern Obstbäumen stoßen?

Daß Diel und Williamson die Ursachen der Fehler unserer Edelstämme in einem kälter gewordenen Klima suchen, sowie in dem Umstande, daß wir die Wildlinge für unsere Baumschulen aus allerlei Edelkernen ziehen, wie wir solche eben erhalten können, ist schon oben erwähnt worden, und wenigstens dem Letzteren muß ich durchaus beistimmen. Zwar darf ich auch hinsichtlich eines kälter gewordenen Klimas meine Erfahrungen nicht gegen die Beobachtungen langjähriger und umsichtiger Forscher halten, und ist es ja z. B. wahr, daß man früher in Deutschland in Gegenden Wein gebaut hat, wo er jetzt nicht mehr fort will, was man aber vielleicht schon aus dem mehreren

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_324.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)