Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 330.jpg

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Werth älterer und neu eingeführter Sorten, besonders auch von Sämlingen, dienen; während Sortenbäume angefertigt werden, um eine größere Anzahl auserwählter und schon geprüfter Früchte zu erziehen; Standbäume für die Fortpflanzung der Sorten in den Baumschulen zu besitzen und diese Bäume zur Verschönerung in Gärten zu benützen.

Zur Anfertigung solcher Bäume gibt uns ein Werkchen des Herrn Superintendenten Oberdieck treffliche Anleitung; da ich aber, bei der Anfertigung meiner zahlreichen Probe- und Sortenbäume, die Sache doch nicht so leicht, schnell und sicher abgethan fand, als sie der Hr. Verfasser obiger Abhandlung schildert (was freilich theilweise in subjectiven Ursachen seinen Grund hat), weil ich ferner in Einigem abweichend von der Oberdieck’schen Anweisung verfuhr; der Gegenstand selbst noch manche Beleuchtung zuläßt und vielleicht auch die Schrift des Hrn. Superintendenten nicht in den Händen Aller ist, welche zum Leserkreise der Monatschrift für Pomologie gehören; so sey es mir gestattet, diesen Gegenstand ausführlicher zu behandeln, theils vom allgemeinen Standpunkte ausgehend, die Vorbedingungen zu bezeichnen, welche bei einem zweckmäßigen Verfahren in’s Auge zu fassen sind; im Besondern aber bei den Zwecken, welche man im Auge hat, meine Rathschläge auseinander zu setzen, wobei ich freilich beim Gegenstand selbst nicht stricte stehen bleiben kann, sondern mir Excursionen auf verwandte, nahe liegende Gebiete erlauben werde.

Die verschiedenen Operationen, welche beim Veredeln der Obstbäume angewendet werden, als bekannt voraussetzend, bemerke ich nur, daß sich alle Veredlungsmethoden bei Probe- und Sortenbäumen anwenden lassen, daß man aber wohl thut, sich derjenigen Veredlungsart in der Regel zu bedienen, in welcher man die größte Fertigkeit besitzt, weil dann auch das Gelingen am wahrscheinlichsten ist. Indessen räume ich doch beim Umpfropfen von Hochstämmen dem Pfropfen in die Rinde den Vorzug vor allen andern Veredlungsweisen ein, weil es am leichtesten auszuführen ist und daher am besten gelingt. Pastor Apricola widerräth das Pfropfen der Probe- und Sortenbäume, weil die Wunden so schwer vernarben und die Edelreiser leicht abbrechen sollen, und empfiehlt das Oculiren, und Herr Superintendent Oberdieck redet vor allen Veredlungsarten dem Copuliren das Wort. Untersuchen wir die Sache näher. Beim Umpfropfen von Hochstämmen muß man entweder auf Leitern arbeiten, welche selten so fest gestellt werden können, daß sie ganz unbeweglich stehen, und je höher der Baum ist, eine um so höhere Stelle muß der Veredelnde auf der Leiter einnehmen, oder aber der Arbeiter stellt sich zu seinem Geschäfte auf geeignete Aeste des Baumes. Wie unsicher aber diese beiden Standpunkte für den Arbeiter sind, weiß jeder, der mit dem Geschäfte des Umpfropfens sich schon befaßte. Bei dem Veredeln kommt aber alles auf zweierlei an; a) daß die Veredlung so geschwind als möglich vollzogen werde, ehe der ausschwitzende Saft vertrocknet, und b) daß das Edelreis und der Wildstamm oder Ast so genau als möglich zusammengefügt werden. Beim Copuliren hängt das Gelingen davon ab, daß der Schnitt sowohl des Edelreises als des zu copulirenden Zweiges so egal als möglich geführt werde, daß Bast auf Bast, wenigstens auf einer Seite, so genau als möglich auf einander zu liegen komme, und daß beim Verbande nichts vom Baumwachs zwischen die auf einander gelegten

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_330.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)