Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 334.jpg

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auf oben genannte Art beschriebenen Nummerhölzern.

Noch muß ich auch im Allgemeinen davor warnen, eine zu große Menge von Sorten auf Einen Baum zu bringen, wodurch nicht nur die Uebersicht erschwert wird, sondern auch einer Varietät oft nur Ein Edelreis eingeräumt werden kann, welches jedenfalls nicht mit der Sicherheit die Erndte von Früchten verspricht, als wenn mehrere Aeste mit derselben Sorte veredelt sind, und leicht durch irgend einen Zufall abgeworfen werden kann, wodurch, je nachdem dieses in eine Zeit fällt, die Sorte ganz verloren geht. Den größten Fehler aber machen namentlich Anfänger in der Fertigung von Probebäumen dadurch, daß sie eifrigst bemüht, so viele Sorten als möglich zusammenzubringen, ohne alle systematische Zusammenstellung, ohne alle Rücksicht auf die Vegetation der Sorten, auf Größe der Frucht, auf Verwendung für Wirthschaft oder Tafel: die Sorten der Reihe nach, wie sie eingehen, auf einen Probebaum setzen und sich dadurch ein Chaos schaffen, das sie später verwünschen.

Auch bei der Auswahl der umzupfropfenden Bäume ist große Sorgfalt zu empfehlen. In der Regel werden selbst Obstfreunde, welche Probebäume anlegen wollen, auch über eine Anzucht tauglicher Individuen zu diesem Zwecke zu gebieten haben. Man hat aber nicht allein darauf zu sehen, daß die Edelreiser von gesunder Beschaffenheit seyen, wovon das Gelingen abhängt, sondern man muß sein Augenmerk auch darauf richten, ob die zu pfropfenden Sorten schwache oder starke Triebe machen, ob die Früchte der Sorte groß, mittelmäßig oder klein sind, ob die Frucht früh oder spät zeitigt, voll oder sparsam trägt – was man alles in guten Beschreibungen, wie z. B. von Diel, Oberdieck, Lucas, Dittrich etc. finden kann, und alles dieses fordert seine Berücksichtigung bei der Entscheidung, wohin das Edelreis auf den Probebaum gebracht werden soll. Stark treibende Sorten setze man wo möglich nie auf schwachtreibende Unterlagen; man vermeide, daß ein Ast mit lauter großen und ein anderer nur mit kleinen Früchten besetzt werde, wodurch das Gleichgewicht zerstört würde, man bringe nicht Sorten, welche durchgehends sehr fruchtbar sind, zusammen auf einen Ast, sondern mische Sorten von geringerer Tragbarkeit darunter, damit der einzelne, mit Früchten überladene Ast, nicht auf Kosten der Anderen die Säfte an sich ziehe; man bringe nicht das Frühobst ausschließlich auf die unteren Aeste, wie Oberdieck anräth „wegen des leichteren Einsammelns“, dadurch würde dem später reifenden, an den oberen Aesten sich befindenden Obste, zur Zeit des Früchteansatzes, wo der Baum seine größte Thätigkeit enthalten muß, die Nahrung dadurch geschmälert werden, daß das schon angesetzte und weiter entwickelte Sommerobst den größten Theil der Säfte in die unteren Aeste an sich zöge; man bringe vielmehr das Früh- und Spätobst in möglichst gleicher Vertheilung auf alle Aeste, dadurch wird, wenn das Frühobst einmal abgenommen ist, das Wachsthum des Spätobstes außerordentlich gefördert, die größere Mühe aber, die das Einsammeln des Frühobstes von hochstehenden Aesten verursacht,

wird reichlich durch diesen Gewinn vergütet.[1]


  1. Frühreife Sorten auf die unteren Aeste zu bringen, empfehle ich auch, und zwar nicht bloß wegen des bequemen Einsammelns, was übrigens gar sehr zu berücksichtigen ist, sondern besonders wegen dem vorherrschend stärkeren Trieb beinahe aller im Sommer reifenden Obstsorten. Die unteren
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_334.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)