Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 362.jpg

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110 andere gaben auch mehr oder weniger beachtenswerthe Früchte, die noch in weiterer Prüfung bleiben, 74 aber Obst von geringer Güte. Es wird sicher am Gerathensten seyn, die 110 von zweifelhaftem Werthe gebliebenen Sorten, einzelne höchstens ausgenommen, nur nicht weiter zu verbreiten, und selbst die 74 vorzüglich edlen werden ganz sicher bei ihrer weiteren Verbreitung lange noch nicht in jeder Lage und Boden wirklich Vorzügliches liefern. Ist selbst dieß günstigste Resultat hinreichend, um darauf die Hoffnung zu gründen, durch Kernsaat, bei noch immer fortgesetzten Generationen, endlich durchweg sehr Edles und überall Brauchbares zu erhalten, um die Anzucht veredelter Stämme darüber aufgeben zu können?

Wir hegen bescheidene Zweifel! Wohl möchte man, wenn man in Lindley’s Theorie der Gartenkunde[WS 1] die beiden Kapitel von Erhaltung und von Verbesserung der Raçen durch Samen lieset, die in kurzer Fassung wohl mit das Instructivste enthalten, was über diesen Punkt geschrieben ist, sich der Ansicht hingeben, daß das gedachte Ziel zu erreichen seyn müsse. Haben wir durch den fortgehenden Einfluß der Cultur so manche edle Kornart, so viele werthvolle Gemüse etc. erhalten, – (unsere Radiese und Möhren z. B., indem man unter Sämlingen dieser Pflanzen in kultivirtem Erdreich diejenige Pflanze zu weiterer Samenzucht allein auswählte, die zuerst einen Ansatz zur Verdickung ihrer Wurzel zeigte, und unter den von dieser gezogenen Sämlingen wieder nur den behielt, bei dem die Wurzel sich schon noch weiter verstärkt hatte, und so fort, bis Radies und Möhre, wie sie jetzt sind, gewonnen waren;) ist es uns gelungen, durch fortgesetzte Cultur und nöthige Präkautionen bei der Samenzucht es dahin zu bringen, daß unsere Kornarten und Gemüse sich constant auf der erreichten Culturstufe erhalten, und höchstens ausarten, wenn sie in zu unpassenden Boden kommen, oder unter uns zum Theil noch unbekannten Einflüssen, (wie z. B. der Brüsseler Sprossenkohl nach einem Berichte des Hrn. van Mons, in Mecheln und nur da, in drei Generationen ganz ausartete, aber ebenso aus Samen von den ausgearteten Pflanzen, den van Mons nach Brüssel zurücknahm, um Vergleiche damit anzustellen, in drei Generationen wieder seine frühere, rechte Beschaffenheit annahm; Lindley Theorie, S. 371); sollten wir Gleiches nicht auf dem bisher betretenen Wege bei den Obstfrüchten, vielleicht bei noch zweckmäßigerem Verfahren, als das bisherige war, auch erreichen können? Daß wir auch bei der Anzucht von Obstsämlingen manches gegen das bisherige Verfahren noch verbessern, planmäßiger anfangen und namentlich eine absichtliche, planmäßige Kreuzung mehr benutzen könnten, ist wohl gegründet. Wahrscheinlich hat nicht bloß das Klima, sondern auch der Boden und die warme Lage, worin die Kerne beim ersten Keimen gezogen werden, auf die günstige Entwicklung des Sämlings und die nachherige Güte der Frucht merklichen Einfluß, wie das die schon obgedachte Schrift in den Annalen der Altenburger pomologischen Gesellschaft von 1854 zu erweisen sucht, und wir könnten darin also noch sorgfältiger seyn und Manches verbessern, wenn gleich wieder manche andere Erfahrungen dafür sind, daß die ganze künftige Anlage des Sämlings mit Bildung des Samenkorns abgeschlossen sey, und der bessere Boden, in den man säet, höchstens eine üppigere Entwicklung des Sämlings erzeugen, nicht aber

etwas erst hineinlegen könne, was nicht schon

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Das von dem britischen Botaniker John Lindley verfasste und von Ludolf Christian Treviranus übersetze Buch ist bei Google verfügbar.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_362.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)