Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 366.jpg

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Welcher Fleiß ist auf unsere Dahlien verwandt, sind in wie vielster Generation erziehen wir sie wohl schon?! Dennoch müssen die Georginenzüchter immer große Quantitäten sorgfältig erzielter Sämlinge anbauen, um darunter nur eine verhältnißmäßig kleine Anzahl vollkommen schöner Blumen zu gewinnen. In wie vielster Generation erziehen wir wohl schon unsere Nelken, Aurikeln und Ranunkeln, und welcher Fleiß ist auf sie gewandt! und doch fällt, wenn auch der Same mit noch so großer Sorgfalt gewonnen war, unter 100 Sämlingen oft kaum eine einzige recht schöne Blume, und wie viele sind der Beachtung nicht werth oder gehen in die Urfarbe, oder in’s Einfache zurück. Ich habe immer gern schöne Stockrosen gehabt, und suchte mir den Samen sorgfältig von den schönsten und gefülltesten Blumen zu ziehen, entfernte auch gleich beim Aufblühen alle einfachen oder überhaupt schlechten Blumen, und doch habe ich es nie erreicht, mehr als 2/3 recht schöne Blumen unter neuen Sämlingen zu erzielen. In Bardowick und Sulingen hatte ich eine ausgezeichnete Sammlung von Topf-Aurikeln, entfernte aus dem Garten alle schlechten, sowie sie aufblüheten, wie überhaupt in der Nähe andere Aurikeln nicht waren, zog jährlich Hunderte von Sämlingen in passender Erde heran, und war stets zufrieden, wenn unter 400 Sämlingen 20–30 völlig schöne Blumen sich fanden. Wird also bei den Obstfrüchten nicht vielleicht die Hoffnung aufzugeben seyn, es jemals dahin zu bringen, daß aus erzielten Samen lauter wirklich gute und schätzbare Früchte fielen? Wohin wir bei im Großen für den Obstbau betriebenen Samenzuchten vielleicht bald schon gerathen würden, zeigen uns wohl die in den Weinbergen (auch aus edlen Kernen) erzogenen, so schlechten Pfirsichen und Aprikosen, oder die in unsern Wäldern befindlichen Obstbäume, die gewiß in sehr vielen Fällen nicht aus dem Samen des Holzapfels und Pyrasters entstanden sind, sondern durch Menschen, die dort Obst aßen, dahin kamen; sowie wir auch auf die edlen Bezis, die in Frankreich im Walde aufgefunden seyn sollen, nicht zu viel geben mögen, da es mit deren Dahinkommen etwas mythisch ist.

Doch wir müssen, ehe wir diesen Abschnitt verlassen, noch wieder auf das von Heusinger zur Verbesserung der Früchte empfohlene Ringeln eine kurze Rücksicht nehmen. Er gesteht es ein, daß sich selbst überlassene und unveredelt herangewachsene Bäume, etwas kleinere und schlechtere Früchte trügen, als Edelstämme, indem er diese Erfahrung auch an seinen Bäumen gemacht habe; aber er hofft, durch die Operation des Ringelns, wie er sie macht, die Früchte so sehr und für immer so zu verbessern, daß sie denen von veredelten Bäumen völlig gleich kämen; ja er meint, daß die in dem geringelten Zweige emporgehaltenen Edelsäfte selbst auf die Kerne der Früchte einen veredelnden Einfluß würden äußern müssen, so daß man aus so gewonnenen Kernen um so mehr gutes Obst zu erhalten hoffen könne. Es ist auffallend, daß Hempel (Pomologischer Zauberring etc.) und andere aufmerksame Beobachter behaupten, daß die Früchte eines geringelten Zweiges nur dann schmackhafter, größer und früher reif würden, wenn man gleich nach der Blüthezeit ringele, und die Wunde bis zur Reife der Frucht nicht ganz wieder zuheile; wie sie auch der Meinung sind, daß einmaliges Ringeln einen Zweig nicht für immer fruchtbar mache. Indessen Heusinger’s Verfahren weicht von dem gewöhnlichen beim Ringeln etwas ab, und wir wollen seine Behauptungen, da deren Gegentheil

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)