Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 373.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

taugliche Bäume vorfindet, um ein Sortiment darauf unterzubringen. Läßt sich nicht ein kleines Baumgut ankaufen (¼ Morgen regelmäßig bepflanzt, reicht hin 15–1600 Sorten unterzubringen, was für einen Dilettanten schon eine hübsche Anzahl ist), so wird man darauf Verzicht leisten müssen, Probebäume auf Hochstämmen anzufertigen, weil ihre Anzucht zu lange Zeit fordern würde. Der kürzeste Weg zum Ziele zu gelangen, ist: wenn man sich aus guten Baumschulen 6–8jährige Pyramiden acquirirt (wie solche die Gebrüder Simon Louis in Metz, Lorberg in Berlin, Baumann in Bollweiler ausbieten,[1] dieselben sorgfältig fest und gut pflegt, wo sie sodann im 2ten Jahre der Pflanzung gepfropft oder copulirt werden können. Will man sich aber seine Kinder von der Wiege selbst erziehen, so muß man sich eben mit Geduld waffnen und man kommt dann am schnellsten zum Ziele, wenn man sich kräftige Hochstämme verschafft und solche 1½–2 Fuß[WS 1] über dem Wurzelstock sogleich mit 4 Edelreisern von starkem Triebe veredelt, daraus 4 Aeste erzieht und einen Kesselbaum bildet. Ist dieser in 4–5 Jahren gehörig erstarkt, so kann er schon ein Sortiment von etwa 25 Sorten aufnehmen.

Ferner kommt in Betracht ob man Probe- und Sortenbäume nur für Kernobst oder Steinobst und Schaalenobst anfertigen will, und beim ersten,[WS 2] ob man vorzugsweise Wirthschafts- oder Tafelobst im Auge habe. Kann man seinen Probebäumen eine größere Ausdehnung einräumen, so sind für Kernobstsorten Hochstämme, Halbhochstämme, Pyramiden und Spaliere zu empfehlen, je nach dem man einen jener Zwecke verfolgt. Wem es nur darum zu thun ist, die Obstvarietäten kennen zu lernen, der muß suchen, solche in ihrem normalen Zustande zu gewinnen; in diesem Falle nehme man zu Unterlagen zwar keine Wildstämme aus dem Walde, aber auch, wenn es die Umstände erlauben, keine schon veredelten Bäume, denn es ist eine Thatsache, welche vielfach bestätigt ist, daß die Obstfrüchte zwar hinsichtlich des Geschmacks und Zuckergehalts keine wesentliche Veränderung erleiden, wenn sie von Bäumen gewonnen werden, die zum zweitenmale veredelt wurden, daß dadurch aber Veränderungen in der Größe, Gestalt, Färbung eintreten, wodurch das Erkennen einer Sorte oft sehr erschwert wird, namentlich wenn die Bäume in üppigem Boden stehen und noch durch Düngung unterstützt werden. Man vermag einen Apfel von einem Paradiesstamme in einem Kübel in sonniger, geschützter Lage, erzogen bei reichlicher Pflege und Düngung, wenn eine Doppelveredlung vorgenommen wurde, oft kaum mehr als dieselbe Sorte zu erkennen, wenn dieselbe Frucht von einem alten Baume, dessen Aeste verwildert und dessen Boden ausgemergelt ist, gepflückt wurde; wie ja auch vergleichungsweise ein Botaniker irgend eine wildwachsende Pflanze, wenn sie aus dem üppigen Boden eines botanischen Gartens ihm vorgelegt wird, oft kaum mehr zu erkennen vermag. Man nehme also, wo man nur pomologische Zwecke im Auge hat, einen aus Samen einer edlen Sorte aufgewachsenen Baum; auf diesem werden sich bei gehöriger Pflege die Früchte in normaler Größe und Zeichnung mit allen eigenthümlichen Charakteren des Aromas, des Fleisches u. s. w. ausbilden.

Reflektirt Jemand auf ein Sortiment ausgezeichnet schönen und guten Tafelobstes,


  1. Auch in der Hohenheimer Baumschule werden solche Pyramiden und zwar zu den gewöhnlichen Preisen für diese Baumform von Aepfeln und Birnen abgegeben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1½–2′ Fuß
  2. Vorlage: statt des Kommas steht nach ersten ein rundes R
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_373.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)