Lunaria biennis.
Im empfehle den Damen als zartesten Zimmerschmuck für Vasen die Mond-Viole, Lunaria biennis.
Es sind lange, zarte Zweige, an welchen viele viele ganz dünne weiss-silberne durchscheinende perlmutterglänzende Membranen gleichsam gespannt sind. Wie Silberhäutchen. Es sieht ganz merkwürdig aus. Wie wenn Japaner es sich erdacht hätten! Mehr so wie kunstgewerblich.
Sie werden mich fragen: „Was sind es?! Blüten, Blätter, Früchte?! Ist es ein Baum, ein Strauch?! Und wo gedeiht er?!“
Ich antworte ganz bescheiden: „Ich weiss es nicht.“
Ich hatte nie die Absicht, dem edelzarten Gewächse durch Wissen das Romantisch-Märchenhafte zu nehmen, das es in seiner geheimnisvollen Merkwürdigkeit ausstrahlt. Es gibt genug Leute, die beim Anblick der süssen Mond-Viole sagen würden: „Dieses Gewächs nämlich gehört in die Klasse der sogenannten – – –“ und jetzt kommt meistens ein lateinischer Name.
Ich bin nicht so. Ich habe es seit einem Jahre mit Geschick vermieden, mir eine Aufklärung über meine süsse geliebte Pflanze aufbürden zu lassen. Ich weiss nur, dass sie schön ist.
Ballast.
Du hängst an mir – – –
jawohl, du hängst an mir!
Peter Altenberg: Pròdromos. Berlin 1906, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prodromos_(Altenberg).djvu/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)