Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/16

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bald besitzen, aber zu verlieren fürchten, bald Andere mit uns nach dem nehmlichen Gegenstande streben sehen, entstehen Gefühle einer Widerstandsfähigkeit und eines innern Werthes in dem begehrten Wesen. Der begehrende oder verliebte Mann, wenn er gleich noch so eigennützig strebt, wird schonend, schmeichelnd, wohlthuend, um das Weib, das sein Verlangen auf sich zieht, zu gewinnen. Er opfert Vieles von seiner Ruhe und Bequemlichkeit auf, um Freude zu genießen, die er einsam nicht einnehmen kann. So ähneln die Triebe der gröbsten Geschlechtssympathie, wenn sie in einem gewissen Grade von Stärke und Dauer empfunden werden, der Geschlechtsliebe in ihren Folgen. Aber mit einer solchen Liebe zum Weibe besteht die härteste, erniedrigendste, und zerstörendste Behandlung desselben, sobald es nach gestillter Leidenschaft wieder in seine gewöhnlichen Verhältnisse gegen den Mann zurückgetreten ist. Unpassend ist es daher, von einer Geschlechtsliebe unter Völkern zu reden, die noch nicht dahin gekommen sind, dem Weibe Menschenwerth beyzulegen. Die Geschichte dieser Liebe kann bis dahin nur die Geschichte der allmähligen Verfeinerung der Selbstheit seyn, die auf dem Wege der Geschlechtssympathie ihre Befriedigung sucht. Es liegt außer meinem Zwecke, sie ausführlich zu behandeln; aber ganz übergehen darf ich sie nicht. Ich muß einige Züge daraus hervorheben, um meine Leser beurtheilen zu lassen, wie nahe die Griechen dem Begriffe wahrer Geschlechtsliebe gekommen waren.

Die Geschichte der Empfindungen, welche beyde Geschlechter sich einander einflößen, steht im genauesten Zusammenhange mit der Ausbildung ihrer Lagen gegen