Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/274

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Gattinnen leben auf Kosten des geitzigen Vaters. Da diese Lage nicht angenehm ist, und die Männer lange ausbleiben, so beklagt sich die eine Schwester darüber gegen die andere. „Wie, sagt diese, kann es dich schmerzen, daß sie ihre Pflicht nicht erfüllen, so lange du der deinigen getreu bist? Daß ich nie wieder dergleichen von dir höre! Der Weise muß seine Pflicht erfüllen, unbekümmert, ob der Andere sie gegen ihn erfülle.“ Die Schwester gesteht es ein: „Glaube nicht, spricht sie, daß ich meines Mannes vergessen konnte!“

In einer andern Scene fragt der Vater die Tochter: wie eine gute Frau gesinnt seyn müsse. „So, antwortet diese, daß, wenn sie durch die Straßen wandelt, sie jedem Spötter den Mund verschließe.“ „Woran, fragt der Vater, erkennt man am leichtesten die gutgeartete Frau?“ „Daran, antwortet die andere Tochter, daß sie bey völliger Gewalt, Uebels zu thun, sich zu beherrschen weiß, und es unterläßt.“ – „Woran erkennt man die weiseste?“ – „Daran, daß sie im Glück sich selbst nicht vergißt, und ihr Unglück mit Gleichmüthigkeit erträgt!“ – Der Vater dringt in der Folge noch in die Töchter, daß sie ihre Männer verlassen sollen. „Wie, ruft er aus, ich sollte dulden, daß ihr bey meinem Leben an Bettler verheirathet wäret?“ Allein die eine Tochter antwortet ihm: Dieser Bettler gefällt mir, wie der Königin ihr König. Ich liebte ihn, wie er reich war; auch arm werd’ ich ihn lieben!“