Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/406

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welche nur die Vertraulichkeit junger Gemüther von verschiedenem Geschlechte herbeyführt, so umständlich und zugleich so lieblich beschrieben. In dem ganzen Werke herrscht eine Seelenüppigkeit, die den Leser unwillkührlich mit ergreift. Hierin geht Longus einen Schritt weiter, als Tatius, dessen Schilderungen des Genusses der Geschlechtssympathie sich hauptsächlich auf körperliche Lüsternheit beschränken.

Es kann übrigens meine Absicht nicht seyn, das Werk in ästhetischer Rücksicht zu prüfen. Ich würde ihm sonst sowohl in Rücksicht des Plans, als der Haltung der Charaktere viele und grobe Fehler vorzuwerfen haben.

Die Liebesgeschichte des Ismenias und der Ismene wird gemeiniglich dem Eustathius zugeschrieben, der zu Ausgang des zwölften Jahrhunderts gelebt hat. Allein es ist höchst ungewiß, daß sie diesem Kommentator des Homer gehöre. Andere nennen einen Eumathius als Verfasser.

Der Werth des Werks rechtfertigt nicht die Untersuchung über die Person des Verfassers. Man kann sich nichts Elenderes denken, als Erfindung und Ausführung in diesem Romane. Eben so wie beym Achilles Tatius und beym Longus liegt die Verwickelung in den Hindernissen, welche sich dem völligen Besitze der Jungfrau vor der Ehe entgegen setzen.

Auch hier wird die Keuschheit des Mädchens vorher in der Quelle der Diana geprüft. Merkwürdig ist es dabey, daß Ismene bereits den unnennbaren Genuß aus freyer Selbstbestimmung weigert, weil sie diesen vor der Ehe für unerlaubt hält. Aber man darf sagen, daß der Teufel wenig dabey verliert, und daß der