Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/88

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Dieser hat einen Schwur gebrochen: Medea muß einer mächtigen Nebenbuhlerin weichen, ohne einen Schutzort zu finden.

Medea hält dem Jason sein Unrecht und ihre traurige Lage mit der größten Beredtsamkeit vor. Sie hat ihn gerettet, sie hat ihm das Liebste aufgeopfert, was sie hatte, und er verstößt sie mit ihren Kindern. Jason entschuldigt sich mit den schlechtesten Gründen, die zugleich den größten Uebermuth und die elendeste Selbstsucht verrathen, und schließt nunmehro mit folgenden Worten: „Ihr Weiber glaubt, alles sey gut, wenn nur die eheliche Treue unverletzt bleibt. Wenn aber diese im geringsten beleidigt wird, so seht ihr die unschuldigsten, rechtschaffensten Handlungen als die größten Feindseligkeiten an. Wollte der Himmel, daß es gar keine Weiber gäbe, und daß das menschliche Geschlecht sich anders als durch ihre Vermittlung fortpflanzen ließe!“

Auch in dieser Stelle findet man einen Beweis des Weiberhasses unsers Dichters, ohne zu bedenken, daß sie in die individuelle Situation des Jason, und in den Ton der Comödie gehört, von dem sich das Trauerspiel der Griechen nie ganz gereinigt hat. Aber das Chor mißbilligt überher seine Rede, und wirft ihm vor, daß er eine schlechte Sache zu beschönigen suche. Medea zeigt sich in der ganzen Scene eben so edel, als Jason sich verächtlich darstellt. Er biethet ihr Geld und Empfehlungen an seine Gastfreunde in der Fremde an. Medea schlägt beydes aus. „Gaben schlechter Menschen“, sagt sie, „bringen nichts Gutes!“

Medea findet an dem Aegeus einen Beschützer, der sie bey sich aufnehmen will, und das Betragen des Jason höchst mißbilligt. „Er begeht“, sagt er, „eine