Seite:Ravensburg Verkehrsleben 05.jpg

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Für den auswärtigen Absatz der Gewerberzeugnisse Ravensburgs waren die Verhältnisse überhaupt nicht günstig, da in den meisten Städten und Gebieten ringsumher gegenüber dem Handel und den Gewerben Fremder ähnliche selbstsüchtige Bestrebungen herrschten wie in Ravensburg selber. Im 18. Jahrhundert verschloß Bayern den auswärtigen Industrieprodukten seine Landesgrenzen durch Sperrzölle, und in Österreich mit Ausnahme seiner schwäbischen Besitzungen geschah dasselbe.

Demzufolge arbeitete der ravensburgische Gewerbsmann fast nur für den Bedarf seiner Mitbürger und der Bauern der Umgebung, und dieser Bedarf war der allgemeinen Verarmung wegen nur gering. Diese spärliche Absatzmöglichkeit ist eine hinlängliche Entschuldigung dafür, daß das Bestreben, allen Wettbewerb zu unterdrücken, sich im gewerblichen Leben, wie im Kleinhandel mit äußerster Rücksichtslosigkeit durchzusetzen suchte, weil man eben die ohnedies allzu schmale Gelegenheit zum Verdienst nicht wollte teilen müssen mit Leuten, die nicht der Zunft oder gar nicht einmal der Stadt angehörten.

Der Handwerker und der Händler waren weit entfernt, den Konkurrenzkampf durch das Mittel billigerer Preise oder besserer Ware ausfechten zu wollen; vielmehr suchten sie zu solchem Zweck obrigkeitliche Verbote und Zwangsmaßregeln auszuwirken.[1] Freilich zeigte der Stadtmagistrat solchen Wünschen gegenüber sich bei weitem nicht immer geneigt. Er ging mit Recht meistens davon aus, daß bei der Lage der Stadt mit solchem Vorgehen überhaupt nicht viel zu erreichen sei und die möglicherweise dadurch hervorgerufenen Wiedervergeltungsmaßregeln vielleicht einen noch größeren Schaden mit sich bringen möchten. Recht lästig empfand der Ravensburger Handwerker- und Handelsstand die Konkurrenz des nahegelegenen österreichischen Altdorfs.

Dem Aufkommen großindustrieller Unternehmungen jeder Art standen fast unübersteigliche Hindernisse entgegen. Vor allem waren es abermals die zünftlerischen Interessen und Anschauungen, die sich solchen Versuchen widersetzten,[2] selbst wenn es sich um Artikel handelte, die in Ravensburg gar nicht hervorgebracht wurden, wie sich z. B. in dem Fall eines Tabakfabrikanten zeigte, der sich daselbst niederlassen wollte, aber das städtische Bürgerrecht nicht zu erlangen vermochte.


  1. [S. 5, Anm. 1:] In einigen Einzelheiten herrschte im Mittelalter mehr Freiheit; so durfte von auswärts hergeführtes Brot in der Stadt feilgehalten werden (Satzung von 1387), desgleichen Fleisch; nur sollte dieses nirgends anders als hinter der Metzg verkauft werden. Eben, Geschichte von Ravensburg I, S. 442, 448. In beiden Beziehungen war der Grund der: man suchte die Zufuhr von Lebensmitteln möglichst zu fördern, um einen Mangel daran zu verhüten, wie er bei den frühern schlechten Verkehrswegen so leicht eintreten konnte. In spätern Zeiten war das Einführen und das Feilhalten von auswärtigem Brot und Fleisch verboten; aber der Magistrat benutzte dann und wann die zeitweilige Aufhebung dieser Verbote als ein Mittel, um die Widerspenstigkeit zu brechen, welche die Bäcker und Metzger der Stadt gegenüber den obrigkeitlichen Preistaxen oder sonstigen gewerbepolizeilichen Anordnungen nicht selten an den Tag zu legen sich getrauten. Ellenwaren durften Fremde während des Mittelalters nicht allein an Markttagen, sondern, wenn es „innerhalb des Wirtes Tür“ geschah, auch zu andern Zeiten, in der Stadt verkaufen. Eben, a. a. O., S. 443 f. Hiebei handelte es sich wohl um Stoffe, die in der Stadt gar nicht erzeugt wurden. 1709 dagegen wird den meißnischen Tuchhändlern verboten, ellenweise zu verkaufen; nur noch in ganzen Stücken, im großen, ward ihnen der Verkauf gestattet.
  2. [S. 5, Anm. 2:] Es sollte kein Zunftgenosse sein Gewerbe über den Umfang handwerksmäßigen Kleinbetriebs hinaus ausdehnen. Selbst Waren, die sich ganz besonders für den Export geeignet hätten, wollte man nicht ausnehmen. 1760 wird verordnet, daß kein Zeugmacher mehr als vier Stühle betreiben dürfe.