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so auf die Nerven, daß ich trotz meiner guten Erziehung etwas ausfallend wurde. Ich belehrte ihn, daß Hofmanns eine angesehene Familie wären und man in ihrem Hause weder rauchendes Blut tränke, noch sonst etwas Ungehöriges täte, wie überhaupt selbst die eifrigsten Vorkämpfer des Heidentums in diesem Vorort die gesellschaftlichen Formen immer zu beobachten wüßten; in Spießerkreisen aber sei für das alles schwerlich das notwendige Verständnis zu finden, ja, auch gar nicht erwünscht, denn der Spießer sei von jeher molochitisch gewesen. Der unsympathische Greis kicherte höhnisch, schwang sein Spazierstöckchen und bemerkte: „Das klingt ja recht beruhigend, aber mit der Echtheit dieses Heidentums scheint es doch nicht weit her zu sein, — die alten Heiden haben schwerlich auf korrektes Benehmen Wert gelegt.“

„Wer weiß,“ sagte ich erbost, „weder Sie noch ich haben sie näher kennen gelernt. Außerdem stehen wir jetzt im zwanzigsten Jahrhundert, und die Sitten haben sich seit dazumal etwas abgeschliffen, — man trinkt nicht mehr Blut — —“

„Das verdanken wir nur der Kultur des Christentums,“ gab er gereizt zurück.

„Im Gegenteil — —“ ich wollte ihm das noch näher auseinandersetzen; aber wozu, er hätte es doch nicht begriffen. So begleitete ich ihn schweigend an seine Trambahn, die eben herankam, und er sagte nur noch,

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)