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Wir fanden dort ein schattenreiches Tal
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mit Wasserquellen, eine köstlich tiefe Stätte.
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Zwölf Quellen sprudeln frisch aus einem Fels hervor
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und viele Palmen, früchtereich und festen Stammes,
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an siebzig, stehen dort
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und üppig Kraut entsprießt im Überfluß,

zum Futter unserm Viehe dienend.
[Alsdann über einen Vogel]

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Wir sahen fernerhin ein andres Tier,
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noch nicht bekannt, anstaunenswert,

wie man’s noch nirgends sah.

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Denn doppelt faßte er des Adlers Länge wohl,
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mit buntgefärbten Fittichen.
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Mit Farbenspiel erschien der ganze Leib versehen.
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Die Brust erglänzte purpurfarbig;
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die Beine waren rötelgleich
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und in dem Nacken war er schön

mit safranreichgetränktem Wollenhaar geziert.

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Am Kopfe glich er fast dem zahmen Haushahn.
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Mit gelben Augensternen schaute er umher.
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Wie Scharlachbeere schien der Augenstern im Kreis.
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Ertönen ließ er auch den herrlichsten Gesang
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und aller Vögel König schien schon er zu sein.
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Denn Schrecken flößt er jeglichem Gefieder ein,
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das hinter ihm im wirren Fluge schwirrend flog,
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doch er voran, wie jener stolze Stier,
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der schnellen Gangs einherschreitet.

[Fragment von Kains Brudermord]

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O Schlange, alles Lasters Anfang wie auch Ende!
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Du, Irrtum, der der Fehler großen Schatz erzeugt,
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der blinden Unerfahrenheit Geleiter,
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du Freund von Tränen und von Seufzern bei den Menschen!
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Ihr habt dem Kain zum unerlaubten Stolz der Gleichgeborenen
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die Rechte mit dem Bruderhasse schwer bewaffnet.
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So ließet ihr den Kain mit Mordblut seinen Zorn verzeichnen
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und aus des reinen Daseins Ewigkeit
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ihn in den Staub der erstgeschaffenen Erde stürzen.
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Ihr habt’s vollbracht