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5
Denkt euch nun einmal!

Das Weib wäre, obwohl Mutter, feige gewesen;
dann hätte sie doch wohl um jene gejammert
und vielleicht so gesprochen:

6
„Ich Arme! Dreimal und öfters Unselige!

Sieben Kinder habe ich geboren
und bin doch jetzt nicht von einem einzigen mehr Mutter.

7
Vergeblich waren sieben Schwangerschaften,

unnütz siebenmal zehn Monate,
fruchtlos die Jahre der Pflege,
unheilvoll die Zeiten, wo im sie mit meiner Milch nährte.

8
Umsonst, ihr Söhne, erduldete ich euretwegen soviel Wehen

und die noch schwereren Sorgen des Aufziehens.

9
O meine Kinder! Die einen unvermählt, die andern unnütz vermählt!

Nicht darf ich Kinder von euch schauen,
nicht Großmutter heißen
und nicht mich glücklich preisen lassen.

10
Ach ich, die Mutter so vieler und schöner Kinder,

bin ja als Witwe und Verlassene beweinenswert.
Und sterbe ich, dann habe ich keinen Sohn, der mich begräbt.“

11
Aber die heilige und gottesfürchtige Mutter

bejammerte auch nicht einen mit solcher Klage.

12
Sie mahnte auch keinen einzigen vom Sterben ab

und betrauerte keineswegs die Gestorbenen.

13
Im Gegenteil, als hätte sie einen diamantharten Sinn

und als gälte es,
ihrer Söhne Vollzahl für die Unsterblichkeit wiederzugebären,
ermahnte sie diese flehentlich, für den Glauben zu sterben.

14
O Mutter! Du Glaubensstreiterin Gottes,

obschon nur Greisin und Weib!
In Standhaftigkeit besiegtest du den Tyrannen
und wurdest in Wort und Tat stärker als ein Mann erfunden.

15
Als du mitsamt den Knaben ergriffen wurdest,

standest du hin und sahest Eleazars Martern zu;
dann sprachst du zu den Knaben in hebräischer Sprache:

16
Kinder! Das ist ein edler Kampf.

Werdet ihr dazu berufen, um Zeugnis für das Volk abzulegen,
dann kämpfet getrost für das väterliche Gesetz!

17
Es wäre ja eine Schande,

wenn ihr als die Jüngern vor den Qualen zurückschrecken wolltet,
wo dieser Greis um des Glaubens willen die Schmerzen erträgt.

18
Bedenket, daß ihr Gottes wegen in die Welt kamet

und euch des Lebens erfreutet!

19
Und deshalb müßt ihr auch Gott zulieb jede Pein erdulden.
20
Seinetwegen wollte unser Vater Abraham

seinen Sohn, den Völkervater, in aller Eile schlachten,
und Isaak erschrak nicht,