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45
Wärst du doch nicht den Sterblichen

ein solch ersehntes Unheil!

46
Denn dir zulieb ist Kampf und Raub

und Totschlag in der Welt.

47
Die Kinder sind den Eltern Feind,

die Brüder ihren Blutsverwandten.

48
Birg nicht Gedanken in dem Herzen

ganz anders, als du aussprichst!

49
Verändre dich nie nach dem Ort,

wie Felsgewächs und wie der Vielfuß!

50
Sei aufrichtig zu allen!

Sprich nur, was aus der Seele kommt!

51
Wer Sünden absichtlich begeht, ist schlecht;

doch wer aus Not,

52
den nenn ich schließlich nicht so.

Bei jedem prüf die Absicht!

53
Mach dich nicht breit mit Weisheit noch mit Stärke,

und nicht mit Reichtum!

54
Nur Gott ist weise, mächtig, allseits glücklich.
55
Quäl nicht dein Herz mit Leiden, die vorüber!
56
Geschehenes läßt sich nicht ungeschehen machen.
57
Sei doch nicht rasch zum Schlagen!

Bezähm den wilden Zorn!

58
Schon mancher hat mit seinem Schlagen unfreiwillig einen Mord begangen.
59
Was du erstrebst,

sei billig, nicht zu hoch und nicht verwegen!

60
Nichts Gutes schafft den Menschen, was zu viel.
61
Viel Schwelgerei reizt nur zu wüster Wollust.
62
Der große Reichtum bläht sich auf

und wächst sich aus zum Übermut.

63
Wo sich Gereiztheit regt,

erzeugt sie schlimmen Wahnsinn.

64
Der Zorn ist nur Begier;

der Grimm dagegen artet aus.

65
Es ist der Eifer für das Gute edel;

der fürs Gemeine ist verwerflich.

66
Der Mut zum Schlechten ist verderblich;

doch der zum Edlen fördert mächtig.

67
Die Tugendliebe ist verehrungswürdig;

doch die der Wollust mehrt die Schande.

68
Der Strudelkopf ist bei den Bürgern hochwillkommen.
69
Beacht das rechte Maß im Essen, Trinken, Reden!

Das Allerbeste ist das Maß;
der Überschwang ist leidig.

70
Mißgönn den Freunden nicht ihr Gut!

Häng ihnen keinen Schandfleck an!

71
Es wohnen neidlos ja die Himmlischen beisammen.
72
Der Mond beneidet nicht der Sonne hellere Strahlen.