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100
Mach der Entschlafenen Grab nicht auf!

Was man nicht sehen darf,

101
zeig nicht der Sonne!

Errege nicht den Zorn der Himmlischen! –

102
Nicht recht ist es,

das menschliche Gebilde zu zerlegen.

103
Denn bald erstehen aus der Erde zum Lichte, wie wir hoffen,
104
der Heimgegangenen Überreste

und werden wieder jung.

105
In den Verblichenen leben ja die Seelen unversehrt noch weiter.
106
Es ist der Geist ein Darlehn Gottes an die Sterblichen, sein Ebenbild.
107
Der Leib ist zwar aus Erde,

wird wieder Erde,

108
und wir zerfallen in Staub.

Der Geist schwebt in die Lüfte.

109
Spar nicht den Reichtum!

Bedenke, daß du sterblich bist!

110
Man darf nicht Geld und Reichtum

zur Unterwelt mitnehmen.

111
Gleich sind die Toten alle;

Gott aber ist der Seelen König.

112
Gemeinsam ist der Lohn;

das Ziel ist ewig, und die Unterwelt

113
ist allen Heimatstatt,

den Armen wie den Königen.

114
Wir Menschen leben eine Zeitlang,

nicht lange Zeit.

115
Die Seele aber ist unsterblich;

sie lebt für immer, niemals alternd. –

116
Was morgen oder was nach einer Stunde ist,

weiß niemand.

117
Der Menschen Tod kommt unerwartet,

und dunkel ist die Zukunft.

118
Zag nicht im Unglück!

Jauchze nicht im Glück!

119
Im Leben zeigt sich oft den Kühnen selbst

unglaublich Unheil.

120
Den Leidenden kommt unversehens Erlösung von dem Übel.
121
Schick dich nur in die Zeit!

Blas nicht dem Wind entgegen!

122
Hab nicht am Prahlen deine Lust,

daß nicht dein Geist verwildere!

123
Üb dich in edler Sprache!

Es ist dies jedem förderlich.

124
Der Mann besitzt im Worte eine Waffe,

viel schneidiger als Eisen.

125
Gott schenkte jedem eine Waffe:

die Gabe, durch die Luft zu fliegen,