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PRINZESSIN EBOLI.
(Don Carlos.)


Ist es das glückliche Vorrecht der Töchter des Südens, gewöhnlich ein so starkes Naturell zu besitzen, dass sie der Reflexion weder bedürfen, noch sie brauchen können, indem sie in allen Stücken, die ihr innerstes Leben berühren, doch blos jenem zu gehorchen vermögen, so benutzen sie auch in der Regel Verstand und Ueberlegung blos dazu, sich der Mittel zu versichern, um seinen Forderungen Genüge leisten zu können. Durch diese Sicherheit des Willens erhalten sie jenen göttlichen Aplomb, der den Nordländer so unwiderstehlich fesselt, und ihnen unter allen Umständen so gut steht. Die südlichen Frauen stehen deshalb meistens nicht nur der Natur sehr viel näher, sondern sind auch viel thatkräftiger als die des Nordens, die Cultur vermag wenig über sie, ändert nichts an ihnen, leiht ihnen höchstens schärfere Waffen, sie ersetzen dieselbe meistens durch die angeborene Feinheit des Geistes, dessen Schlagfertigkeit eben durch das rasche und sichere Naturell unendlich erhöht wird.

Einen solchen Charakter, dessen Kern in einem stark sinnlichen Leben gesucht werden muss, führt uns der Dichter in seiner Eboli vor, bei der er noch durch eine eigenthümlich pikante Anmuth das zu ersetzen gewusst hat, was ihr an weitem Horizont abgeht.

Die muntern Augen der Prinzessin quälen
Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,
Kaum weiss sie ihre Freude zu verbergen,
Weil sie vom Lande Abschied nimmt –

so wird uns durch Königin Elisabeth das reizende Geschöpf eingeführt, welches des Vaters Wünsche entflammt, während sie selbst

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/154&oldid=- (Version vom 1.8.2018)