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den Göttern ebenso viel als von der Kirche, es spielt der muselmanische Fatumsglaube wie die paganistische Orakelwelt durch die christlichen Traditionen.

Auf diesem Hintergrund nun tritt uns zunächst die imponirende Gestalt der Donna Isabella entgegen in der Heiligung des tiefen Schmerzes um den dahingeschiedenen heldenhaften Gatten. Der dunkle Schleier eines schweren Kummers auf der schönen Gestalt lässt aber die Hoheit des Sinnes, die sie überall zeigt, nur um so ergreifender hervortreten, eine Erhabenheit und Schärfe des Geistes, die der Chor mit den Worten malt:

Ja, es ist etwas Grosses, ich muss es verehren,
Um einer Herrscherin fürstlichen Sinn:
Ueber der Menschen Thun und Verkehren
Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin.

Diese Vornehmheit ist überall das zunächst in die Augen Fallende, aber nicht minder malt sich der Herrscherinstinct, der sie die erste Pflicht, die Erhaltung des Reichs für ihr Geschlecht, keinen Moment aus den Augen verlieren lässt, in der Art wie sie den Chor behandelt.

Schiller ist unser einziger Dichter, der seinen Figuren überall, sobald er es will, den Charakter der Grösse und Hoheit, das Siegel der Macht aufzudrücken vermag. Diese schwerste künstlerische Aufgabe weiss er überall zu lösen, und so finden wir denn jene Eigenschaften auch bei Donna Isabella wieder, wie wir sie an Wallenstein, Elisabeth von England, Maria Stuart, Philipp II. u. a. bewundern. Die Art, wie die geängstigte Mutter die Söhne auf ihre gleiche Vortrefflichkeit aufmerksam macht, wie sie ihnen dann das Schreckbild der nothwendigen Wirkungen ihrer Zwietracht vorhält, zeigt uns neben der Grösse noch die dämonische Leidenschaftlichkeit des Sinnes, der nacheinander alle Glieder dieses Hauses zum Opfer fallen, und von dem auch sie ihr Theil hat, wie uns jenes Uebermass von Stolz lehrt, wenn sie, unterrichtet von ihrer Söhne Liebe, ausruft:

Die Mutter zeige sich, die glückliche
Von allen Weibern, die geboren haben,
Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht!

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/308&oldid=- (Version vom 1.8.2018)