eben vom Mikroskop entfernend, wie Fridolin beinahe erwartet, sein alter Studienkollege, der Assistent des Institutes, Doktor Adler, sich von seinem Stuhl erhob.
„Oh, lieber Kollege,“ begrüßte ihn Doktor Adler immer noch etwas unwillig, aber zugleich verwundert, „was verschafft mir die Ehre zu so ungewohnter Stunde?“
„Entschuldige die Störung“, sagte Fridolin. „Du bist gerade mitten in der Arbeit.“
„Allerdings“, erwiderte Adler in dem scharfen Ton, der ihm noch von seiner Burschenzeit eigen war. Und leichter fügte er hinzu: „Was sollte man in diesen heiligen Hallen sonst um Mitternacht zu schaffen haben? Aber du störst mich natürlich nicht im geringsten. Womit kann ich dienen?“
Und da Fridolin nicht gleich antwortete: „Der Addison, den ihr uns heute heruntergeliefert habt, liegt noch in holder Unberührtheit da drüben. Sektion morgen früh acht Uhr dreißig.“
Und auf eine verneinende Bewegung Fridolins: „Ah so – der Pleuratumor! Nun – die histologische Untersuchung hat unwiderleglich Sarkom ergeben. Darüber braucht ihr euch also auch keine grauen Haare wachsen zu lassen.“
Fridolin schüttelte wieder den Kopf. „Es handelt sich um keine – dienstliche Angelegenheit.“
Arthur Schnitzler: Traumnovelle. Berlin, S. Fischer 1926, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schnitzler_Traumnovelle.djvu/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)