Klaft. Mag die mich bezahlen; will heute noch hinschicken.
Leopold. Sie lebt; aber in den dürftigsten Umständen, im äusersten Kummer, da sie ihren Mann, ihr kleines Häuschen, all ihre Gerätschaft verlohren – da sizt sie mit ihren zwey Kindern und jammert um Brod; es ist ein erbarmungswürdiger Zustand! Hätte nicht eine gutherzige Seele sie zu sich in seine Hütte genommen, sie hätte erfrieren, hätte verhungern müssen. Wenn meine Bitte etwas über sie vermag, liebster Vater! Sie schlugen mir sonst nie was ab; ich will es gern an etwas andern entbehren – Erlaßen Sie doch der armen Wittwe Ihre Foderung, mein Vater!
Klafter. (auffahrend.) Mädchen! Mädchen! träumst du? Willst du deinen armen Vater vollends an Bettelstab bringen? Ist dir mein Unglück nicht schon genug? Wer dich doch nur mit der Empfindeley angesteckt haben mag? Sähst gerne wenn ich noch die paar armseeligen Trümmer, die ich vom Schiffbruche gerettet vollends dem Bettelpack in Rachen würfe? Geh mir aus den Augen; bist nicht meine Tochter – und untersteh dich keinen Schritt mehr über die Schwelle zu setzen – schickt sich schön für ein Mädchen deines Standes, von Hause zu Hause herumzulaufen, und um fremder Leute Umstände Erkundigungen einzuziehen; indeß dein armer Vater zu Hause trostlos dasitzt, und über sein Unglück mit der Verzweiflung kämpft.
Leopold. Soll ich denn weniger Mensch seyn, als andre?
Franz Philipp Adolph Schouwärt: Die Ueberschwemmung. , Frankfurt am Mayn 1784, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schouw%C3%A4rt_%E2%80%93_Die_Ueberschwemmung_(1784).djvu/20&oldid=- (Version vom 24.10.2016)