Pöll. Und ihr etwa wie einer Verbrecherinn Ketten anlegen?
Amtm. Man kann nicht wißen: könnte Folgen nach sich ziehen. Es ist der strengste Landesbefehl, sich solcher Personen, die Anfälle von Tollheit bekommen, zu versichern, und in praecautionem alterius damni werden sie öfters in Eisen und Bande gelegt.
Pöll. Warum nicht gar, wie einem tollen Hund eine Kugel vorn Kopf? Doch Herr! wenn ihre Obrigkeitliche Seele bey so einem jammernsvollen Anblick noch unempfindlich bleibt, wenn Sie des Elends noch so kaltblütig spotten können: so verdienen Sie den Namen Mensch nicht. Was thaten Ihnen diese unglücklichen Leute, daß Sie solche so sehr mit ihrem Haße verfolgen? Denn haßen müßen Sie sie: Sie könnten sonst unser aller Thränen so ganz ohne Mitleid nicht fließen sehen. Bedenken Sie, Herr Oberamtmann! Sie haben selbst Kinder; wenn eins davon so ein Unglück träfe! Ich bitte Sie, seyn Sie menschlicher, Sie können dieser armen Familie helfen – es ist ihre Pflicht.
Amtm. Was mich doch der unverschämte Kerl alles lehren will? Will ich denn etwa nicht? das kleine Mädchen will ich sehen daß ich sie irgend in einer Fabrike kann unterbringen. Die Mutter kann auch noch arbeiten; sie ist noch stark genug, und nicht alt; und die närrische Dirne wird man schon lebenslang versorgen.
Pöll. Vielleicht macht der Himmel ihren Leiden bald ein Ende
Franz Philipp Adolph Schouwärt: Die Ueberschwemmung. , Frankfurt am Mayn 1784, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schouw%C3%A4rt_%E2%80%93_Die_Ueberschwemmung_(1784).djvu/65&oldid=- (Version vom 24.10.2016)