Seite:Sechs kurze Trauerreden. Bei Beerdigungen gesprochen von J. M. Rauch.pdf/28

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dem Tode ist also niemand zu alt und niemand zu jung, niemand zu schön und niemand zu häßlich; er kömmt und nimmt hinweg, was seine Beute ist, und das zur Stunde, da man’s nicht vermeinet. Darum, spricht die Schrift: Wachet, denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde. Wohl dem, der diese Worte mit goldenen Buchstaben in seine Seele schreibt; er wird in ihnen einen Fingerzeig durch’s Erdenleben finden. –

Diese eure Schwester, meine theuern jungen Freunde und Freundinen! lebte auch in eurem Kreise, war fröhlich auch mit euch –, doch daß der Herr sie hingestreckt auf’s Krankenbett, das war für sie eine bessere Schule, als euere Umgebungen; hier lernte sie die Eitelkeit der irdischen Freuden; die Reize der Sinnlichkeit vom Herzen verabscheuen; hier erkannte sie, daß Tugend und Unschuld jene Schätze sind, von denen Jesus sagt, „daß sie Rost und Motten nicht verzehren, die Diebe nimmer rauben können.“ Hier am Krankenbette erkannte sie es recht, daß man Gott fürchten und in Reinheit des Lebens vor ihm wandeln müsse, wenn man eingehen wolle zum ewigen Leben. Darum ward auch ihr Sinn hinweggewendet von der Welt und ihren Lüsten; ihr Erlöser war es, den sie da mit Herz und Mund zum Bräutigam erwählte, der ihr in