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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

nennen. Diesen Namen hatte man zur Erinnerung daran auch diesem alten, schwerfälligen Schultisch gegeben. Kam nun das Fest heran, so wurde der Karakazan von den Kindern auf den an des Großvaters Zimmer anstoßenden Boden getragen, wobei sie aus Freude über die willkommene Befreiung von Schulmühen und Lasten ein Jubelgeschrei erheben durften. Man kann sich denken, daß diese Erlaubnis in dem ganzen Umfang kindlicher Stimmen und Tonarten benutzt wurde. Und waren die fröhlichen Festtage vorüber, die Zeit des Schulanfangs wieder da, so wurde dem Un­willkommenen der sauern Mühen durch einen ähnlichen Scherz das Herbe genommen. Mit großem Halloh wurde der Karakazan wieder hereingeholt. Diesmal war’s gestattet, ein Klagegeheul zu erheben, was pflichtschuldigst mit allen denkbaren Dissonanzen begonnen wurde, aber stets mit allgemeiner Fröhlichkeit endete. Und nun ging’s fröhlich unter Gottes Gnade, mit frischem Mut und neuer Kraft an die Arbeit. Er selbst aber, der liebe Mann, voll Freude an seinem Beruf, mit Gebet und Dank im Herzen, fühlte sich am glücklichsten unter den glücklichen Kindern und ward nicht müd, ihnen Tag für Tag darzureichen, was ihnen not that für das irdische und für das ewige Leben.



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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/102&oldid=- (Version vom 15.9.2022)