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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland



5. Traute Heimat.




Dreißig Jahre früher war unseres Großvaters Mutter, damals noch Propstin Reimer, des Weges von ihrem Elternhause Rönnen nach Durben gefahren. Es war ein hübscher Punkt an dieser Straße, wenn man Kabillen hinter sich hat und der schöne Birkenwald beginnt mit seinen riesigen Alten und dem schlanken, weißstämmigen Nachwuchs, der sich dazwischenflicht. Plötzlich schließt der Wald ab; ein weites fruchtbares Gefilde thut sich auf, in dessen Mitte auf einer kleinen Erhöhung, weithin sichtbar, die alte Kirche von Wahnen steht. Der Tag neigte sich, die Strahlen der scheidenden Sonne übergossen Turm und Wand des stillen Gotteshauses mit rötlichem Schimmer; die Fenster desselben und die Kugel mit dem Hahn auf der Turmspitze glühten goldig, als der Wagen um die Ecke bog und seinen Weg nach rechts einschlug. Fruchtbare Felder ringsum, weiter­hin rechts, am Saum des Birkenwaldes das alte Pastorat, nach links, jenseits der Felder, der malerische, lang hin­gestreckte Teich mit der Mühle, an dem jenseitigen, teilweise höheren Ufer desselben, dichtbelaubter, dunkler Wald, – es war ein Landschaftsbild, das man nicht leicht vergißt und das durch die friedliche Abendstille nur desto beweglicher zu der Seele der Reisenden sprach.

„Sollte Gott mir einen Sohn schenken, – hier sollte er Pastor sein!“ – sprach sie bei sich selbst. Wieviel

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/81&oldid=- (Version vom 14.9.2022)