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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

Tafel zu befreien. Gar selten aber kam einer auf den Gedanken, in Petersburg Carrière zu machen. „Es ist ein Fanfaron!“ hieß es dann meist von ihm; man verzieh es keinem, der in der Heimat auf etwas zu rechnen hatte, wie doch meist der Fall war. Im Grunde aber war das Reisen doch selten, und noch geraume Zeit später konnte einer der größten Gutsbesitzer sich äußern: „Begreif nicht, was die Leute vom Reisen haben. Will ich fahren, so laß ich anspannen und kutsch im Lande herum, wohin ich Lust hab.“ – „Aber die schönen Gegenden?“ entgegnete man. – „Ach, was! ist alles Quark,“ erwiderte der gute Pa­triot, „die schönste Gegend ist und bleibt doch immer ein gutes Weizenfeld, — und das gottlob! hab ich. Auch dies Jahr!“ – Aber auch wenn sie außer Landes gingen, – sie kehrten bald wieder heim. Das Fremde, das ihnen hängen geblieben war, verlor sich bald.

Im Grunde hatte es doch immer und überall geheißen: „alt Kurland über alles!“ Und das soll mir niemand schmähen, wenn's auch, – wie alles – seine Mängel hat. Zum Beweise noch ein charakteristisches Geschichtchen. Der alte Baron B. auf S. war auch auf Reisen gewesen, hatte sogar manche Rolle Louisdors in Paris gelassen, war aber dann nach der Heimat zurückgekehrt und säete jahraus jahrein seinen Roggen, wie seine Väter gethan. Das Necken und Scherzen hatte er dort, wo er geweilt, am wenigsten verlernt, und selten war jemand so glücklich, davon verschont zu bleiben. Waren Gäste bei ihm im Winter, die nach seiner Meinung zu früh aufbrachen, so gab er den Kutschern ein braves Trink­geld, damit sie ihre Herrschaften geflissentlich irrefuhren und auf einem weiten Umweg schließlich wieder nach S. zurückkehrten, oder „die Fräuleins“ hübsch in den Schnee würfen und was der Schnurren mehr waren.[1] Und diese

  1. Er sprach gern von Düsseldorf und Korsika und war wohl
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/9&oldid=- (Version vom 12.9.2022)