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– So früh schon, mein Sohn? fragt der Priester mit einem eigenthümlich lauernden Blicke. Ich dachte, nur wir mieden schlaflos und zeitig das weiche Lager.

Por la Santa Madonna! Willst Du spotten? fragte Lascara mit zornigem Blicke. Freust Du Dich über das Ding, was Du aus mir gemacht hast? Keine Ruhe, weder Tag noch Nacht; die Hölle . . . Weißt Du, Priester, daß Eure berühmte Hölle Marionettenspiel gegen das ist was ich empfinde . . .

– O, der Brausekopf! sagte der Erzbischof, seine fatale Miene zu einem Lächeln verwandelnd. Aber so, . . . ja, aber so ist die Jugend . . .

– Was hat das mit mir zu thun? So bin ich, Don Jose Diego de Lascara; aber sicherlich werde ich keinen Tag länger so sein. Hört Ihr, würdigster Herr Erzbischof? Menschenkräfte sind gemessen! Die meinigen gehen schon bei dieser ewigen Spannung zu Ende. Es sind jetzt 11 Tage, und immer hieß es: Morgen! Morgen! Ich sage Euch, meine Kraft reicht vollkommen für meinen Zweck und Euern Wunsch und Plan; das ist’s aber all. Diese Kraft brauche ich sämmtlich; ich habe nicht etwa hundert Mal mehr aufzuwenden, als nöthig . . .

– Aber was heißt das? fragte der Prälat. – Vamos! Sennor! Das wißt Ihr sehr wohl. Klar aber: was geschehen soll, geschieht heute, oder durch meine Hand nimmer! Sehr einfach deshalb: weil ich morgen, da ich durch die zehnmalige Vollbringung der That in der Einbildung auf’s Aeußerste abgespannt bin, weder Muth, Sicherheit noch Willen mehr haben werde.

Der Bischof ward sehr unruhig. Dann zog er den Spanier dicht zu sich und flüsterte mit ihm.

– Du gehst also, Vater? fragte der junge Mann.

Der Bischof nickte.

– Und bringst mir Deinen Befehl und Segen?

Quien sabe? murmelte Luçon achselzuckend und ging.

Dicht neben den beiden Menschen hatte Jeanneton unter dem Epheu gekauert. Ihr Herz hatte sie getrieben, dem alten Geliebten nachzueilen, um ihm ein Wort des Trostes zu sagen. Noch wußte sie nicht, ob Le Clou oder Lascara der Gebieter ihres Herzens werden würde, aber so viel wußte sie, daß es ihr unerträglich war, Le Clou zu verlieren.

Als der Spanier jetzt die Treppe hinabgegangen und der Bischof in’s Innere des an die Terrasse stoßenden Schloßflügels getreten war, erhob sie sich bleich und zitternd und flog dann dem Stallmeister nach. Sie erreichte ihn dicht vor den Zimmern des Königs.

– Jacques! flüsterte sie, ohne Umstände seinen Arm und zwar sehr entschieden ergreifend. Le Clou sah sie sehr überrascht an.

– Ich habe Lascara gesehen . . .

– Und? fragte der Stallmeister sehr finster.

– Den Bischof auch . . . Wie sage ich’s . . . Ach, ich hörte nichts und wollte schwören, ich hätte Alles gehört . . . Jacques, wißt Ihr? Erinnert Euch, ich habe nichts gehört, aber ich sage Dir, mein Freund, reitet der König heute zur Jagd, so ist er verloren . . .

Le Clou schien bei der Bestätigung seiner eignen frühern Worte sehr außer Fassung zu kommen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/156&oldid=- (Version vom 1.8.2018)