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sondern durch künstlerische Errungenschaften den Triumph, mit demjenigen Tizian’s und Giorgione’s den Lorbeer in der Zeit der höchsten Kunstblüthe Alt-Venezia’s zu theilen.

Tizian blieb für immer der Freund seines Nebenbuhlers, den ihm ein früher Tod nur zu bald entriß, während es dem Farbenzauberer beschieden war, neunundneunzig Jahre lang sich des vollen glücklichen Menschenlebens zu erfreuen, das er in seinen zahlreichen Schöpfungen herrlich wie kein anderer wiederspiegelte.

Wir schließen nicht, ohne noch einmal der schönen Giuditta Farsani zu gedenken. Sie gestand ihren Weg nach dem Dogenpalaste und erntete dafür Tizians lebhaften Dank statt der Vorwürfe, die sie erwartete. Daß die Liebe des flatterhaften Meisters zu ihr länger dauerte, als es bei ihm in der Regel der Fall war, läßt sich daraus schließen, daß er später öfter ihr Bild, bald als Venus, bald als Diana und zwar in einer Art malte, die deutlich die Begeisterung des Künstlers für sein Modell verräth. Wahrscheinlich ist es ebenfalls das Portrait Giuditta’s, welches der Louvre in Paris unter dem Titel „Tizian’s Geliebte“ als einen seiner vorzüglichsten Schätze bewahrt.




Die Löwenjagd.
Von Peter Paul Rubens.

Der Gesandte des Herzogs von Gonzaga an den König Philipp IV. von Spanien, Peter Paul Rubens, welcher der Fürst der niederländischen Maler zu werden bestimmt war, hatte sich durch den Glanz des königlichen Hofes, durch die glühenden Reize des herrlichen Madrid und durch die Schönheiten der Ufer des silbernen Manzanares nur kurze Zeit fesseln lassen. Der niederländische Meister war noch nicht dreißig Jahre, und sein nie rastender Genius, welcher in seinem Schöpfungsdrange weniger die ruhige, edle Schönheit, als das Leben, das volle, großartig bewegte, dramatische Leben erfaßte, wandte sich weg von dem leeren Pompe eines engherzigen Ceremoniells am allerchristlichsten Königshofe. Rubens, dessen umfassendes positives Wissen, dessen vollendete Weltbildung ihm neben dem gewinnendsten Aeußern und einer fesselnden Beredtsamkeit einen bedeutenden Platz in der vornehmen Welt anwies, betrachtete diese seine Vorzüge kaum als solche, sondern nur als Mittel, um diejenigen Stoffe und die Lebensäußerungen, wie sie ihn ansprachen, in der Kunst zur Erscheinung zu bringen. Die riesenhafte Erfindungsgabe des Malers, welche sich jeden Zweig der Geschichte und der Mythologie sowohl, wie die Natur dienstbar machte, dürstete dennoch nicht wenig nach lebenden Urbildern. Je großartiger und künstlerisch bedeutender Rubens diese aber verlangte, je weniger vermochte er sie aufzufinden. Das alte Europa war schon damals ziemlich zahm geworden. Das ernste strenge Deutschland, das breit-bequeme Niederland, das in Galanterien sich erschöpfende und unnatürlich werdende Frankreich, wie Italien, das weiche, sinnliche und üppige Vaterland einer reizenden Kunst, hatten dem Maler nur wenige Stoffe bieten können, über welche er in seiner Urkraft und

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/330&oldid=- (Version vom 1.8.2018)