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Bei Roos ist Alles mit breitem Pinsel gemalt; die Thiere sind, jeden Gedanken an Studie fern haltend, dennoch von großer Naturwahrheit. Ohne daß Roos die melancholische Poesie Ruisdaels zu entwickeln vermöchte, ist er dennoch seiner Wirkung sicher, ein heiteres Wohlgefallen, einen ungetrübten künstlerischen Eindruck hervorzubringen.

Im Jahre 1557 ließ sich Roos, dreiundzwanzig Jahre alt, von der Sehnsucht nach der in seinen Bildern lebenden Heimath wieder nach Deutschland, wieder nach Frankfurt ziehen. Durch die gewinnbringende Nähe des Hofes von Hessen und des Mainzer Bischofs ward er hier zum Portraitiren verleitet. Diese Gemälde sind von sehr untergeordnetem Werthe, wenn man einen Van Dyk’schen Maßstab daran legen will. Der Meister kam 1685 bei einer Feuersbrunst ums Leben.

Es giebt noch einen Theodor Roos, den Bruder Johann Heinrichs; auch er war Bye’s Schüler. Von den Söhnen unsers Malers war Philipp Peter, Rosa di Tivoli genannt, ein liederlicher aber genialer Künstler, derjenige, welcher als Maler den meisten Ruf erwarb. Er starb in Rom 1705. Weder er noch die übrigen Roos kommen Johann Heinrich gleich.




Ein lesendes Mädchen.
Von P. de Hooghe.

Auf dem Damme von Amsterdam ging in einer Herbstnacht des Jahres 1685 ein einzelner in einen kurzen Mantel gehüllter Mensch. Er musterte eines der Wirthshäuser an der Straße nach dem andern und murrte in höchst unzufriedenem Tone, wenn er die Thür verschlossen fand und kein bereitwilliger Diener erschien, welcher ihm die Thür öffnete. Er kam abermals an einen Wein-Kranz und fing, da sein Pochen an der Thür wieder vergebens war, mit wahrer Rücksichtslosigkeit an, abwechselnd mit seinem Degenknopfe und dann mit den Stiefelabsätzen die Thür zu bearbeiten, daß es weithin dröhnte. Ein Wächter näherte sich mit hallenden Tritten.

– Mynheer, stört die ehrbaren Bürger Amsterdams nicht im ersten Schlafe, und könnt Ihr Euch vor Weindunst nicht lassen, so packt Euch in eure Federn und schlaft den Rausch aus.

Sang de Dieu! Ich habe keinen sehnlicheren Wunsch, als Euren ehrbaren Bürgern im Schnarchen getreueste Gesellschaft zu leisten! rief der Fremde in gebrochenem Holländisch. Ich kann aber unmöglich erwarten, daß Eure holländischen Betten dem Chevalier César de Cobrion auf der Straße entgegenkommen werden. Und da habe ich allen Grund, dieselben meinerseits gehorsamst aufzusuchen. Ich bitte Euch, Mynheer Nachtwächter, ist das ein Wirthshaus?

– Ein Wirthshaus für Seeleute!

– Seht Ihr, daß ich Recht hatte, hier zu pochen? Ich bin im Punkte meiner Zuneigung zu Genever und schönen Mädchen ein so vollkommener Seemann, wie es Michel de Ruyter nur immer gewesen sein kann. Ich bitte Euch, mein Freund, leiht mir Euren Spieß, damit ich an die Thüre hämmern kann; denn ich versichere Euch auf Parole, ich habe Ursache, ebenso sehr mein Degengefäß als meine Stiefeln zu schonen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/355&oldid=- (Version vom 1.8.2018)