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Delicatesse nicht so weit zu treiben, in Gegenwart des Herrn Capitains mich mit Andeutungen zu begnügen.

– Sie, Cobrion, mögen allerdings sehr merkwürdige Erinnerungen haben; setzen Sie indeß nicht voraus, daß Sie uns amusiren, wenn Sie uns davon unterhalten. Sie trinken Ihren Wein am besten an einer andern Stelle, als in unserem Zimmer. Gute Nacht und guten Weg! sprach Fontanges sehr kalt und verachtend.

– Ich bin ein Gottesblut, wenn ich Ihnen gehorche! rief Cobrion, dessen Augen ein unheimliches Feuer sprühten. Meine Erinnerungen haben allerdings für Sie eine besondere Wichtigkeit, denn sie können Sie sammt Ihrer Schwester Athenais in die Bastille bringen und zwar ebenso hoffnungslos, als wären Sie die Masque de fer!

Die beiden Herren wechselten einen raschen Blick. Fontanges erbleichte und richtete einen Blick auf seinen an einem Stuhle lehnenden Hofdegen.

– Haben Sie vielleicht vergessen, daß Ihre Schwester die Marquise de Fontanges, die Creatur der Madame de Maintenon . . .

– Was wagst Du, Filou . . . rief der Marquis, nach seinem Degen greifend.

– Noch zwei Worte; sprach Cobrion noch lauter. Dann machen Sie was Sie wollen. Ganz Frankreich weiß, daß die Besiegerin der Montespan, Ihre Schwester, nichts als ein Geschöpf der Dame de Maintenon war. Wissen Sie, daß sich Ihre Schwester auf Kosten der Maintenon des Königs bemächtigen wollte? Wissen Sie, daß die Maintenon von Ihnen und Ihrer Schwester verläumdet und verrathen wurde, daß Sie verschwinden, durch Ihre Alliirten verschwinden, oder, da Sie beliebten, von giftigen Präparaten zu sprechen, vergiftet werden sollte, während Ihr ergebener Freund Louvois zum Dessert eine Pistolenkugel oder einen Degenstoß empfangen hätte? Wissen Sie endlich, daß Sie, Marquis, auf den Minister diese Pistolenkugel selbst abzufeuern die Güte gehabt haben? Was mich betrifft, so weiß ich dieses und noch mehr. . .

Fontanges war wieder ruhig geworden. Er sagte zu dem entsetzten Marsillac:

– Freund, ich sehe nicht ein, weshalb wir diesen Cobrion, diese wahre Cobra de Cabelo, nicht eigenhändig erwürgen wollen, bevor ihr Gift uns treffen kann.

Bon, Messires, lachte der Defecte, seinen ungeheuern langen Raufdegen mit ausgezeichneter Schnelligkeit entblößend und dem Seemanne, welcher mit seinem kurzen Schwerte auf ihn eindrang, die Spitze der Waffe präsentirend. Ich bewundere Sie, auf Parole, Zwei gegen Einen! Es ist mir schmeichelhaft, mein Handgelenk und meinen Stoß so glänzend anerkannt zu sehen. Ich versichere Sie beiderseits, und Sie werden sich sofort überzeugen, daß mein Gelenk das beste von ganz Paris und mein Stoß ebenso unwiderstehlich als der Pfeil des Amors ist.

Und in der That trieb der Industrieritter die beiden Freunde in eine Zimmerecke zusammen.

Diable! schrie Fontanges, seinen Arm, auf welchen er einen nervigen Flachhieb empfangen hatte, sinken lassend. Cobrion! Canaille! Gedenkst Du uns hier an die Tapete zu spießen? Halt doch!

Der schäbige Cavalier trat zurück und senkte seinen Degen, indeß Marsillac mit einem erbitterten Blick auf seine eigne, zu kurze Waffe, dieselbe auf den Tisch warf.

– Waffenstillstand! rief Fontanges. Auf Cavalierparole. Laß Dich nieder, Monsieur Cobra. Wir wollen ohne jegliche unangenehme Anspielung reden.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/358&oldid=- (Version vom 1.8.2018)