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großen blauen Augen zeigend, einen Brief in den Händen hielt, unter welchem man schon von weitem die pomphafte Unterschrift „Chevalier Cobrion“ erkennen konnte. Occa ward von dem Strahle der eben aufgehenden Sonne freundlich beleuchtet, die in magischer Schönheit in den Locken der Holländerin, an dem geöffneten Fensterflügel und an der Wand des Zimmers spielte. Das nach innen gehende Fenster spiegelte das liebliche Gesicht Occa’s, welches die Franzosen im Profil sahen, in der Vorderansicht wieder.

Cobrion warf einen triumphirenden Blick auf den, von diesem eigenthümlichen Stillleben seltsam ergriffenen Fontanges. Er stellte den Letzteren der Stickerin vor, fand aber zu seinem Verdrusse, daß der Marquis so zerstreut und schweigsam war, daß es fast unerträglich wurde. Als er ihn wieder fortgeführt, machte er ihm nicht allein bittere Vorwürfe darüber, sondern fügte auch ähnliche Drohungen hinzu, wie er sie schon die vorherige Nacht ausgestoßen hatte. Aber Fontanges ließ sich diesmal nicht einschüchtern, obwohl er nicht zu widersprechen für gut fand.

– Jetzt, Cobrion, sagte er endlich, laßt uns scheiden. Ich kann jetzt mit gutem Gewissen in Paris schwören, daß die Göttin, welche den König beglücken soll, dieser Ehre vollkommen würdig ist . . .

Parbleu! Ihr werdet ein noch schlagenderes Mittel haben, um diese Menschen zu überzeugen! rief Cobrion. Seht Ihr dort jene Fenster mit den Oelgemälden?

– Ja! Pieter de Hooghe von Haarlem wohnt dort . . .

– Sehr gut! Dieser Meister wird Euch die Occa malen, grad so wie sie heute Morgen vor dem Fenster stand. Seht dort das Bild der lesenden Frau, und das welches drüber hängt, die Frau in dem Thorwege, – ist’s nicht als hätte sich Occa expreß ebenso zurecht gestellt, wie diese? Ist das nicht dieselbe Sonne, welche heute so merkwürdig in die Stube der Stickerin leuchtete?

– Aber das wird Euch Geld kosten, Cobrion . . . bemerkte Fontanges.

– Mir? Bah! Euch; das ist das Richtige. Das Gemälde bezahlt Ihr.

– Gut! Aber ich kann’s nicht mit mir nehmen; denn ich reise morgen früh ab nach Havre de Grace.

– Possen! Ihr werdet Euch krank machen und hier bleiben, bis Alles genau so geschehen ist, wie ich’s will! rief Cobrion unerschütterlich. Diesmal ist Fontanges mein Diener!

Der Marquis schwieg jetzt wie ein Camaldulenser-Mönch. Von Cobrion geführt, ging er zwar zu Pieter de Hooghe, nannte seinen Namen und bestellte das Portrait Occa de Kuypers bei dem schönen, zweiundvierzigjährigen Meister, bezahlte auch hundert Franken sofort, um ihn zum augenblicklichen Beginn der Arbeit zu bewegen; aber es gelang dem Industrieritter nicht, weiter eine Silbe aus ihm hervorzulocken.

In einigermaßen gepreßter Stimmung schied Cobrion von ihm, um seine Stellung zu überdenken. Den Tag über hielt er sich fast immer am Hafen auf, um sicher zu sein, daß der Marquis sich nicht etwa auf der Brigg Marsillac’s einschiffe. Er sah sich, da dieser Letztere am Abende die Flagge zum Auslaufen aufhißte, genöthigt, sein Postenstehen bis tief in die Nacht hinein zu verlängern. Er schien entschlossen, seinen Mann durch einen Degenstoß krank zu machen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/369&oldid=- (Version vom 1.8.2018)