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Sitze klarer und großer Gedanken geschaffen und dennoch vermag sie nicht, diesem Gesichte den Stempel überwiegender geistiger Befähigung zu verleihen. Dies ist der Kopf eines Edelmannes, eines hohen Aristokraten, eines ritterlichen Hofcavaliers, aber will man denjenigen eines Herrschers in ihm finden: so kann man nicht umhin, dem Ausdrucke dieser Züge einen Mangel an Erhabenheit, an genialer Kraft und Willensstärke vorzuwerfen. Es drängt sich unwillkürlich uns das Gefühl auf, daß dieser Mann – auch wenn wir seinen Namen nicht wüßten – weniger zum Handeln, als zum Leiden getaugt haben müsse und hierauf übt der Umstand, daß der König mit dem Arm in der Binde gemalt wurde, allerdings keinen Einfluß. Hält man die Geschichte des hingerichteten Monarchen mit diesem Bilde zusammen: so muß man gestehen, daß letzteres einen unübertrefflichen Commentar dazu abgiebt. Die Kunst des Meisters Van Dyck im Portrait ist übrigens, wie auch die hier dargelegte, große, charakteristische Auffassung beweist, gleichwie diejenige Tizians und Leonardo da Vinci’s in diesem Fache über alles Lob erhaben.




Der Zahnarzt.
Von Gerard Dow.

Vergleicht man diesen Zahnarzt von Dow mit dem Zahnbrecher von Gherardo della Notte, so ist die gewandte Leichtigkeit des niederländischen Genremalers ganz besonders in die Augen fallend. Obgleich das Bild mit größter Sorgfalt ausgeführt ist und an frappanter Naturwahrheit selbst seinem Schreibmeister nicht weicht: so zeigt es dennoch einen so freien Wurf, wie wenige von Dow’s Stücken. Der feine Humor, den hier der Maler entwickelt, ist wahrlich köstlich. Dieser holländische Bauerknabe, welchem aus Anlaß der Kunst des alten Baders förmlich die Augen übergehen, während dennoch seine Todesangst vor dem Zahnarzte und dessen schrecklichen Instrumenten mit einem gewaltigen Ruck, gleichwie das Zahnweh, verschwindet und der Verwunderung über die merkwürdige Veränderung seines Mundlocales Platz macht – dieser kleine Bauer bildet den heitersten Gegensatz zu dem Alten, der voll Suffisance in der Zahn-Trophäe, die er emporhält, den redenden Beweis seines außerordentlichen Talents anlächelt. Den äußern Rahmen des Bildes, ein Fenster in einer Mauer mit seitwärts aufgeschürztem Vorhange sammt dem Hintergrunde, weicht wenig von der gewöhnlichen Manier ab, welche der Maler für diese Gegenstände anwendet.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/773&oldid=- (Version vom 1.8.2018)