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– Schämt Euch! rief der Wirth, mit beiden Händen winkend. Seit wann ist Papa Bonnet dafür bekannt, daß er einem ehrlichen Seehunde keinen Korb Rothwein mehr creditirt, wenn er sein letztes Pulver verschossen hat? Immer herein! Trinkt, Burschen, trinkt – das Uebrige wird sich dann auch wohl finden!

Die Matrosen legten um und segelten glücklich in den Hafen zur weißen Taube ein. Netscher aber glaubte in der quäkenden Stimme des Wirthes mindestens diejenige eines Engels zu hören. Rasch trat er an den Dicken heran und wiederholte seine Frage. Der Wirth war durchaus nicht gefügig, eben wie die Andern; er sagte aber auch nicht: Nein!

Papa Bonnet musterte den Maler von oben bis unten und nahm hiernach eine sehr zufriedene Miene an.

– Schade, daß Ihr kein Kriegsmann seid! murmelte er, und mit dem Degen da zu spielen wißt, den Ihr ohne Zweifel zum Staat traget. Ich behielte Euch doppelt so gern . . . Doch mag’s drum sein! Mögt ihr mich nun malen oder nicht, so werde ich Euren Durst in meinem Keller nicht eben zu sehr spüren. Tretet näher, Herr Maler, und erquickt Euch und laßt’s Euch wohl sein aus Herzensgrund.

Netscher drückte dem Braven die Hand, ging in die Gaststube und warf Ranzen und Hut neben sich. Bonnet ließ auftischen, Weinflaschen paradirten neben seinem Abendessen, und bald saß Bonnet neben ihm und hatte den aus den Niederlanden Kommenden in ein gelegentliches Gespräch verflochten, an welchem bald ein ganzer Kreis von Seeleuten Theil nahm. Netscher mußte Neuigkeiten aus Holland erzählen. Hierbei bildete sich eine kleine Spielgesellschaft, die sich gegen Mitternacht allmälig in eine Zechgenossenschaft bester Qualität verwandelte.

Kaspar wachte am andern Tage mit einer sehr unangenehmen Empfindung auf. Erst jetzt kam ihm die Idee, daß ihm die Erinnerung an das Ende jenes Gelages fehlte; er versuchte, sich zu orientiren, wo er sich befinde, und seine höchst unbequeme Lage zu verbessern. Vergebens! Er war mit beiden Händen dicht an die Mauer gebunden und lag auf Steinen, die dürftig mit Stroh bedeckt waren. Sein Gemach war stockfinster. Hoch oben war eine kleine Luftklappe, durch deren Risse sich schmale, blendendhelle Sonnenstrahlen drängten. Bald merkte der Maler, daß er sich nicht allein befinde. Als sich sein Auge an die Dunkelheit gewöhnt hatte, unterschied er mehre elend aussehende Gestalten, von denen er bald einen erschreckenden Aufschluß über sein Schicksal empfing. Er war in die Hände eines Seelenverkäufers gerathen, eben eines solchen Unholdes, deren Treiben in Rotterdam und Amsterdam er am vorigen Abende der Gesellschaft so getreulich beschrieben hatte.

Von jetzt an begannen acht lange Leidenstage für den Deutschen, den der Wirth und ein königlich französischer Seeoffizier mit Gewalt dazu zwingen wollten, eine Bescheinigung zu unterzeichnen, welche ihn, Netscher, zum Militairdienste in den Colonien verpflichtete. Der Maler widerstand lange; am Ende thaten Hunger und körperliche Züchtigungen das Ihrige: Netscher, müde bis in den Tod, willigte in Alles und unterschrieb. Jetzt ward er besser gehalten und man kündigte ihm an, daß er in den nächsten Tagen zur See gehen werde. Die Verzweiflung des Künstlers ist nicht zu beschreiben. Es war, als werde er zum Richtplatze geführt, als man ihn gegen Abend seiner Fesseln vollständig entledigte, um ihn aus dem Hause hinaus und zur See

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)