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In Hofnung und in Furcht: fährt oftmals mit Verdruß,
Nicht wie er gerne wil, besondern wie er muß.
So ist ein Ehmann auch. Jedoch vor allen Dingen,
Wenn er sich reich befreit. Der muß wol lernen singen,
Wie diese tantzen will. Die Hosen und der Hut,
Die Herrschaft ist vertauscht um Geld und Heyraths-Gut.
O du verfluchtes Gut, das alles Gut zu hindern
Und abzuschaffen pflegt, das Männer macht zu Kindern,
Du Feindin der Vernunft, du aller Sinnen Todt,
Du aller Jugend-Pest, du Ursach aller Noth!
Stell eine Jungfrau dar von vier und achtzig Jahren.
Sie sey von Leibe schwartz, halb kahl, halb grau von Haaren,
Ehr- Zucht- und Sinnenloß, lahm, hockrich, eingesprengt
Als wie ein bunter Molch: Ist sie nur wol behengt
Mit Sammt und güldnen Tuch, mit Gold und edlen Steinen;
So mag die Sonne nicht so hell und lieblich scheinen,
Als diese Blinde steht. Das bleiche Froschen-Maul
Wird Purpur ähnlich seyn. Ist sie gleich Esels faul;
So wird sich doch ein Narr für gute Gülden finden,
Der sie vergleichen wird der allerschnellsten Hinden.
Ist gleich das Brust-Gewehr verfallen auf den Grund;
So schweret iener doch, es sey gantz Apffel-rund.
Bey ihrer Stimme mag kein Nachtigal sich gleichen.
Arion mag ihr nicht das blosse Wasser reichen.
Sie gehet Orpheus vor mit aller seiner Kunst.
Sie überstimmet wol die Katzen in der Brunst.
O auserwehltes Thier! Wer deiner drey möcht haben.
Der Zierrath wäre mein. Das ander für die Raben.
Viel lieber nehm ich dich, Melissa, nackend an,
Du hast genug für den, der räthlich leben kan.
Was sol mir Honigseim vermengt mit Gift und Gallen?
Wie kan mir Geld und Gut und gülden Tuch gefallen
Mit Dienstbarkeit verbrämt? Ich will der Ketten nicht,
Die meine Freyheit würgt und mir die Gurgel bricht,

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)