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Ein Weib, das sorglich ist, und hat ein scharf Gesicht,
Auf sich selbst und ihr Hauß und auf den Nachbarn nicht.
Ein Weib, das mit Vernunft sich in die Zeit kan schicken,
Und das im Fall es stürmt, kan weichen oder bücken,
Das ihren werthen Herrn nicht fährt mit Schnauben an,
Im Fall er über Durst hat einen Trunck gethan.
Ein Weib, das all ihr Leid mit Sanftmuth kan ertragen,
Nicht gehet Hauß bey Hauß in allen Gassen klagen:
Das über ihren Mann, im Fall er was verbricht,
Nicht bey Gefattern klagt, auch bey der Mutter nicht.
Ein Weib das um den Hut sich gar nicht mag bemühen,
Noch über ihren Peltz die Hosen anzuziehen.
Ein Weib, daß ihr Gesind fein ernst und ehrbar hält,
Doch gegen ihren Mann sich unterthänig stellt.
Ein Weib, daß sich nicht schämt zu waschen oder backen,
Nicht sieben ander hält, die künstlich an sich zwacken,
Dieweil die gute Frau besucht den Abendschmauß,
Mit vollen Kannen gehn, balb forn, bald hinten aus.
Ein Weib, das Jedermann mit Freundlichkeit empfänget,
Doch ihres Hertzens-Lust an keinen Frembden hänget.
Ein Weib, das niemahls wird auf bösen Sinn gebracht,
Als wenn ein schändlich Maul sie blöd und schamroth macht.
Ein Weib, das nicht ihr Geld auf lauer Kundschaft leget,
Und alles wissen will, was in der Stadt sich reget.
Ein Weib, das nicht regiert Rath, Kirchen und Gemein,
Das lieber Koch zu Haus als Kantzler wünscht zu seyn
Ein Weib, das nicht daheim kaum halb sich satt will fressen,
Auf daß die neue Tracht an ihr nicht sey vergessen.
Ein Weib, das Reinlichkeit hält für die beste Pracht,
Das Zucht und Tugend mehr als Geld und Perlen acht.
Ein Weib, das ziemlich früh das Volck zur Arbeit jaget,
Und eh nach Habermann, als nach dem Brandtwein, fraget.
Ein Weib, das ihr Gesind nicht allzu kärglich speist,
Und auf den Stockfisch nicht nur lauter Wasser geust.

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)