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Dem krancken Freunde gibt, wer Armuth schimpflich hält
Und in dem Hertzen nichts anbetet, als das Geld,
Der leitet seinen Sohn gemach zu solchen Sachen.
Bald lernt er fremde Schrift und falsche Siegel machen,
Berschwert ein theures Pfand, sticht arme Waysen aus,
Nimmt, was gestohlen ist, um halbes Geld ins Hauß,
Verfälscht ein Testament, beschneidet an den Kanten
Das allerbeste Gold, gibt Glaß für Diamanten,
Für Pfeffer Mause-Dreck, thut einen guten Satz
Der Silber-Müntze zu, besucht den Kirchen-Schatz
In stiller Gottesfurcht, geht zu gemeinen Säcken.
Ein erbar Angesicht kan alle Possen decken,
So lang es GOtt gefällt, so lange der noch schweigt,
Der alles heimlich sieht und offenbarlich zeigt.
Siehst du wohin der Geitz ist endlich ausgeschlagen?
Siehst du was deine Lehr für Früchtlein hat getragen?
Weiß er das Schul-Recht kaum; er will schon Meister seyn.
Gibst du ein Handbreit nach, er nimmt bey Ruthen ein.
Diß Feur hast du geschürt. Nun schlagen alle Flammen
Auch über dich, du Narr, und deinen Kopf zusammen.
Gleich wie ein iunger Löw die Zahne grimmig beist,
Und, wenn er wütend wird, den Meister selbst zerreist.

Die Runtzeln des Gesichts, der Schnee der grauen Haare
Gibt reichlich zuverstehn, daß deines Lebens Jahre,
Nicht schlechter Anzahl seyn, daß du schon Berg hinab
Mit schwachen Füssen gehst und eilest in das Grab:
Noch gleichwol kan dein Sohn des Endes nicht erharren,
Begehrt dich lieber heut, als Morgen, einzuscharren;
Und ob er sauer sieht; kein Trauren ist gemeint.
Weist du nicht, daß man auch für Freuden oftmals weint?
Drum sieh dich eben vor, daß in dem güldnen Becher,
Der Tod nicht etwa sey, der bleiche Hertzenbrecher.
Ersuch dem Aesculap um einen guten Rath
Und nimm bey Zeiten ein, was etwa Mitridat

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)