Seite:Trauerrede Lietzmann 4.jpg

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Arbeit gewesen.“ So ist auch sein Leben Mühe und Arbeit und darum köstlich gewesen. Und der Trost, den dieses Gotteswort in diese Stunde hineinpredigt, lenkt den Blick auf die große Erfüllung dieses Lebens, und aus dem Klagen wird Dank gegen Gott, daß er dem Entschlafenen so reiche Ernte und so edle Freude geschenkt hat.

     Und darum ziemt es uns in dieser Stunde einer Abschiedsandacht des Lebens und Wirkens unseres Freundes zu gedenken.

     Vor 70 Jahren, im Oktober 1869, ist er geboren; Schlesier war er von Geburt und ist es auch geblieben. Schlesien war seine Heimat, die ihm in der Jugend das Herz erfreute, und sie blieb ihm die Kraftquelle, wenn er in reifen Jahren von seinem Landhaus in Querseifen seinen Blick in das herrliche Tal schweifen ließ, das die grünen Höhenzüge der schlesischen Berge umkränzen.

     Aber neben Schlesien gewann er noch eine andere Heimat. Seine wissenschaftliche Ausbildung führte ihn schon in jungen Jahren nach Italien, und Italien mit seiner Schönheit der Natur, mit seinen geschichtlichen Denkmälern und mit seiner künstlerischen Pracht ist seine zweite Heimat geworden. Italien wurde für immer das Land seiner Sehnsucht, es ist auch das Land seiner letzten Sehnsucht geworden. Dankbar gedenke ich auch in dieser Stunde sonniger Tage, die wir in Rom gemeinsam genießen durften.

     Im ganzen war sein Leben das eines deutschen Professors alten Stils. – Mit 25 Jahren hat er sich in Breslau habilitiert, mit 30 Jahren war er schon, ohne die Stufe des Extraordinats kennengelernt zu haben, ordentlicher Professor in Greifswald; und das nächste Jahr bescheerte ihm die Vereinigung mit der Frau, die alle Freuden und Kämpfe seines Lebens nun 39 Jahre lang mit ihm geteilt hat und treulich an seiner Seite stand bis zur letzten Minute. Die akademische Laufbahn zog ihn weiter nach Münster, dann kam er 1913 nach Breslau. Hier wirkte er länger als 20 Jahre, bis er schließlich als Emeritus nach Berlin zog, wo er seinen Wirkungskreis bequem erweitern konnte und wieder mit alten Freunden in nähere Berührung kam.

     Den entscheidenden Stempel hat seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit die Schule der großen Bonner Philologen aufgedrückt. Er hat dort das bekommen, was wir alle als Lebensaufgabe der strengen Zucht in Bonn dankbar preisen, die heilsame Scheu vor großen Worten und die Andacht zur schlichten Arbeit, die unverdrossen Tatsachen sammelt, ehe sie urteilt.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Lietzmann: Wilhelm Kroll (Trauerrede). Privatdruck, Berlin 1939, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Trauerrede_Lietzmann_4.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)