Seite:Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen Teil 1 1759.pdf/110

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wohl selten möglich, ein Stück bey dem ersten Anblicke sogleich nach seinem wahren Inhalt und Affect wegzuspielen. In den geübtesten Orchestern wird ja oft über einige, den Noten nach sehr leichte Sachen mehr als eine Probe angestellet. Die meisten Treffer werden viemahls nichts mehr thun, als daß sie die Noten treffen, und wie vieles wird vielleicht nicht der Zusammenhang und die Verbindung der Melodie leiden, wenn auch im geringsten nicht in der Harmonie gestolpert würde? Es ist ein Vorzug fürs Clavier, daß man es in der Geschwindigkeit darauf höher als einem andern Instrumente bringen kan. Man muß aber diese Geschwindigkeit nicht mißbrauchen. Man verspare sie bis auf die Gänge, wo man ihrer nöthig hat, ohne gleich das Tempo vom Anfange zu überschreiten. Daß ich der Geschwindigkeit nicht ihr Verdienst, und folglich weder ihren Nutzen noch Nothwendigkeit nehme, wird man daraus abnehmen, daß ich verlange, daß die Probe-Stücke aus dem G und F moll, und die aus den kleinsten Noten bestehenden Läufer in dem, aus dem C moll aufs hurtigste wiewohl deutlich gespielet werden müssen. In einigen auswärtigen Gegenden herrschet gegentheils besonders dieser Fehler sehr starck, daß man die Adagios zu hurtig und die Allegros zu langsam spielet. Was für ein Widerspruch in einer solchen Art von Ausführung stecke, braucht man nicht methodisch darzuthun. Doch halte man nicht dafür, als ob ich hiemit diejenigen trägen und steifen Hände rechtfertigen will, die einen aus Gefälligkeit einschläfern, die unter dem Vorwande des sangbaren das Instrument nicht zu beleben wissen, und durch den verdrießlichen Vortrag ihrer gähnenden Einfälle noch weit mehrere Vorwürfe, als die geschwinden Spieler verdienen. Diese letztern sind zum wenigsten noch der Verbesserung fähig; ihr Feuer kan gedämpfet werden, wenn man sie ausdrücklich zur Langsamkeit anhält,