Seite:Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen Teil 1 1759.pdf/113

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spielen, ohne durch zu wenige Ausfüllungen zu viel Zeitraum und Einfalt blicken zu lassen, oder durch zu viele bunte Noten undeutlich und lächerlich zu werden. Indessen, da die Sänger und diejenigen Instrumentisten, die diesen Mangel nicht empfinden, ebenfalls nur selten die langen Noten ohne Zierrathen vortragen dürfen, um keine Ermüdung und Schläfrigkeit blicken zu lassen, und da bey unserm Instrumente dieser Mangel vorzüglich durch verschiedene Hülfsmittel, harmonische Brechungen, und dergleichen hinlänglich ersetzet wird, über dieses auch das Gehör auf dem Claviere mehr Bewegung leiden kan, als sonsten: so kan man mit gutem Erfolge Proben ablegen, womit man zufrieden seyn kan, man müßte denn besonders wider das Clavier eingenommen seyn. Die Mittelstrasse ist freylich schwer hierinnen zu finden, aber doch nicht unmöglich; zudem so sind unsere meisten Hülfsmittel zum Aushalten, z. E. die Triller und Mordenten, bey der Stimme und andern Instrumenten so gut gewöhnlich als bey dem unsrigen. Es müssen aber alle diese Manieren rund und dergestalt vorgetragen werden, daß man glauben sollte, man höre blosse simple Noten. Es gehört hiezu eine Freyheit, die alles sclavische und maschinenmäßige ausschliesset. Aus der Seele muß man spielen, und nicht wie ein abgerichteter Vogel. Ein Clavierist von dieser Art verdienet allezeit mehr Danck als ein andrer Musikus. Diesem letztern ist es ehe zu verdenken, wenn er bizarr singt oder spielt, als jenem.

 §. 8.  Um eine Einsicht in den wahren Inhalt und Affect eines Stückes zu erlangen, und in Ermangelung der nöthigen Zeichen, die darinnen vorkommenden Noten zu beurtheilen, ob sie geschleift oder gestossen u. s. w. werden sollen, ingleichen, was bey Anbringung der Manieren in Acht zu nehmen ist, thut man wohl, daß man sich Gelegenheit verschaffet, so wohl eintzelne Musicos